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01.09.2023
Comic-History

Blueberry: 60 Jahre Western-Mythos

Blueberry: 60 Jahre Western-Mythos

Blueberry wurde am 31. Oktober 1963 auf den Seiten des Magazins Pilote geboren.

Erstmals sieht der Leser Leutnant Blueberry, dessen Ähnlichkeit mit dem französischen Schauspieler Jean-Paul Belmondo zu Beginn der Serie kein Zufall ist, in einer kleinen Pionierstadt an der Grenze zwischen Arizona und New Mexico in einem Saloon beim Pokerspiel. Natürlich gerät er dabei recht schnell in Schwierigkeiten (Fort Navajo), da er es mit dem fairen Spiel nicht so genau nimmt. Niemand konnte damals ahnen, dass die Serie um den Western-Helden Mike Steve Donovan alias Blueberry zu einem absoluten Klassiker der franko-belgischen Unterhaltungsliteratur werden würde. Und so fasziniert Blueberry als Leutnant, Sheriff, Marshal und Zivilist seit inzwischen 45 Jahren mehrere Generationen von Lesern.

Die Blueberry-Inspirationsquellen von Jean-Michel Charlier (Szenarien) und Jean Giraud (Zeichnungen) sind vor allem die Geschichte des Wilden Westens, eigene Reiseerfahrungen, die klassische Abenteuer- und Unterhaltungsliteratur, europäische und amerikanische Comic-Klassiker, die klassische Western-Malerei, der klassische Kinowestern „Made in Hollywood“ und der Italo-Western. Charliers Blueberry-Szenarien entstammen der realistischen Tradition des belgischen Comics mit ihren langen Handlungsabläufen. In diesen Endlosepen lag seine besondere Stärke als Erzähler. Inhaltlich ist Blueberry ein Actioncomic mit einer Vielzahl von dramatischen Effekten. Eine besondere Qualität der Geschichten ist der historische Hintergrund, auf den Charlier gerne zurückgriff, um seinen Storys eine gewisse Realität zu vermitteln. Obwohl die ersten Abenteuer noch relativ konventionelle Western sind, erkennt man doch schnell die Extraklasse, die diese Serie auszeichnet. Charliers spannender und fesselnder Erzählstil und Girauds ausdrucksstarkes und grandioses Artwork machten Blueberry schnell zu einem Abenteuer-Epos der besonderen Art.
In der Hauptserie Blueberry geht es u. a. um Indianerkriege, Recht und Ordnung, die Eisenbahn bzw.  „Das eiserne Pferd“,  militärische Operationen, die Suche nach einem Goldschatz, Mexiko, Intrigen und Mordkomplotts, Frauen und Liebe, die klassischen Schurken und Verräter, berühmte Personen in der Geschichte des Westens bzw. der USA (z. B. Soldaten, Politiker, Indianerhäuptlinge, Helden), Tombstone und O.K. Corral.
Mit der Gründung der Taschenbuch-Reihe Super Pocket Pilote erscheinen in Frankreich zwischen 1968 und 1970 die ersten Jugendabenteuer von Blueberry. Seit 1985 wird die Serie Die Jugend von Blueberry mit albenlangen Abenteuern fortgesetzt. Charlier übernimmt erneut das Szenario für diese Reihe und führt diese bis zu seinem Tod im Jahre 1989 fort. Als Nachfolger von Charlier übernimmt Francois Corteggiani 1990 als Szenarist die Serie. Da Giraud selbst für den Part des Zeichners 1985 nicht zur Verfügung steht, kann der Neuseeländer Colin Wilson für die graphische Umsetzung der Abenteuer gewonnen werden. 1997 übernimmt Michel Blanc-Dumont als Zeichner die Serie. In der Jugend-Reihe erlebt Blueberry seine Abenteuer während der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865).

Im Jahre 1991 beginnt mit der Reihe Marshal Blueberry die zweite Erweiterung des Blueberry-Universums, in der es um illegale Waffenschiebereien geht. Szenarist des Zyklus ist Jean Giraud. William Vance zeichnet die ersten beiden Bände (1991/1993) und Michel Rouge den abschließenden 3. Band (2000).
Die deutschen Leser erleben im November 1968 den ersten Auftritt von Blueberry in dem Magazin MV Comics 47 des Stuttgarter Ehapa-Verlags. Bis Ausgabe 3/1969 wird Blueberry in MV Comix abgedruckt. 1972 beginnt der Koralle-Verlag Hamburg, eine Tochtergesellschaft des Axel Springer Verlags, mit dem chronologischen Nachdruck der bis dahin von Charlier/Giraud kreierten Abenteuer in seinem Comic-Magazin ZACK. Fünf Abenteuer werden anschließend in Albenform veröffentlicht. Mit der Einstellung von ZACK im Sommer 1980 kehrt Blueberry zum Ehapa-Verlag/Egmont zurück, bei dem er auch heute noch verlegt wird.

Autor: Michael Hüster