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03.01.2019
avant-verlag

Der Umfall

Der Umfall

Noel lebt mit seiner Mama, die er Mumsie nennt, in einer Wohnung in Berlin. Eines nachts hört er einen Knall und findet seine Mama reglos im Bad liegen: Der Umfall.
 

Sie kommt ins Krankenhaus, er in ein betreutes Dorf nach Neuerkerode in Niedersachsen.

In farbenfrohen Bildern erzählt und zeichnet Mikael Ross die Abnabelung eines jungen Mannes, der erstmals auf eigenen Beinen im Sinne von ohne Mama steht und ein neues Leben beginnt. Dass Noel etwas anders ist, erfährt der Leser unter anderem an seiner kindlichen Sprechweise, mit teils verquerem Satzbau. Dabei kommen aber auch wunderbar fantasievolle Wörter und Redewendungen zustande, die diesen Comic sehr humorvoll machen, ohne die handelnden Personen der Lächerlichkeit preis zu geben!

Noel übte sich an seinem Geburtstag u.a. darin, dass Marshmallows beim Grillen nicht immer schwarz werden. Er freute sich an diesem Tag über eine Gitarre als Geschenk und an der Eintrittskarte für ein AC/DC Konzert. Doch zunächst muss er erkennen, dass Mama nicht mehr für ihn da ist. In der Einrichtung angekommen freundet er sich mit anderen an und kreiert mit ihnen einen Alltag, der voller Lebensfreude, Trauer, Freundschaft, Rührseligkeit und naiv-lustiger Episoden ist.

Die Inklusion in das gesellschaftliche Leben nehmen sie wie selbstverständlich in die eigenen Hände; auch wenn in so manchem Fall „political correctness“ noch erlernt werden will und die Verhaltenskreativität der Typen im Einzelnen auch schon mal an Grenzen des Zusammenlebens stoßen mag. Die „Normalos“ in Person von Betreuer, Polizist, Schaffner etc. stehen dem bunten Treiben manchmal erstaunt, aber auch tolerant und nachgiebig gegenüber, so dass es wiederum als vollkommen normal erscheint, wenn zwei Chaoten zwar eine Karte für ein Rockkonzert im Zug vorzeigen können, aber keine Fahrkarte.



Die mit einem Comic-Stipendium ausgezeichnete Graphic Novel ist untergliedert in Kapiteln, die jeweils pointiert eine mehr oder weniger separate Episode erzählen. Im Vordergrund steht immer die unbefangene Art von Noel und „Konsorten“, die auch manchmal nicht gar so heimelig ausfällt. Die Zeichnungen haben einen leicht schrägen Charme, genauso - wenn ich das so anmerken darf - wie die Protagonisten.

Sowohl die Graphic, als auch die Individualisten, haben jederzeit einen liebenswerten Charakter! Eine Lektüre zum Schmunzeln und mit romantischen Zwischentönen! Der Begriff „Behindung“ wird auf keiner Seite explizit verwendet und somit wird ein verbales Stigma wohltuend verhindert, das oft eben nicht zureichend die einzigartige Persönlichkeit eines jeden einzelnen Menschen würdigt. Sehr zu empfehlen!

Autor: Rolf Pressburger