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19.06.2019
Schreiber & Leser: Im Labyrinth der Erinnerungen

Der Verlag aus Hamburg präsentiert einen weiteren Band aus der Andreas-Collection

Der Verlag aus Hamburg präsentiert einen weiteren Band aus der Andreas-Collection

Ein Mann verirrt sich in einer finsteren, stürmischen Nacht. Sein Name ist Cythraul, und er läuft vor der Polizei davon.

An der meeresumtosten Küste trifft er auf eine Fischersfamilie, die ihm sagt, was er nicht wusste: dies ist die Nacht Samhain, in der die Toten in die Häuser der Lebenden kommen. Was wie ein Märchen beginnt, endet in einem Irrgarten aus Erinnerungen an Ereignisse, die Cythraul lieber vergessen möchte...

Ohne große Begeisterung nahm Andreas den Auftrag zu dem an, was später „Im Labyrinth der Erinnerungen“ werden sollte. „Was Keltisches“ wünschte sich der Verleger. Also tauchte Andreas ein in die nordische Mythologie, denn er hatte bis dahin noch keine Nähe zu dem Themenkreis.
Zudem stand bei ihm ein Familienumzug von Paris in die Normandie ins Haus. Nordfrankreich und keltische Sagenwelt, das passte. In der nebligen Herbstwelt konnte er gut eine Story um Samhain-Allerseelen ansiedeln. Kunstvoll verschränkt Andreas das Erdengeschehen um den Schauspieler Cythraul und seine Truppe mit den nordischen Göttergestalten: die Kollegin Fraya ähnelt Freya, der Göttin der Jugend und der Liebe. Der verhasste, beneidete Kollege Kardarn hat viel von dem schönen Balder, der Chef des Ensembles heißt I.O. und erinnert an Wotan-Odin. Oder die Sache mit dem Mistelzweig auf Seite 33-34. In der germanischen Mythologie ist die Mistel Balders „Achillesferse“: alle Lebewesen der Erde, außer der Mistel, haben geschworen, dem strahlenden, jungen Gott nichts zu Leide zu tun. Und so wird ein Mistelzweig Balder zum Verhängnis (aber nicht, weil er zu Weihnachten unter dem Mistelzweig die Falsche geküsst hat).
In den Asterix-Comics sind Misteln Bestandteil des vom Druiden Miraculix gebrauten Zaubertranks. Erst diese Zutat verleiht den Galliern ihre unglaublichen Kräfte. Sicherlich kannten Uderzo/Goscinny den Bericht des Römers Plinius: ein weiß gekleideter Druide schnitt mit einer goldenen Sichel auf Eichen die Misteln und braute damit einen Sud, der unfruchtbare Tiere fruchtbar machen und Vergiftungen heilen solle.
Aber auch fernöstliche Motive sind offenbar eingeflossen. Das Ende der Geschichte lässt an Karma, Fatalismus und das Rad des Lebens denken: du kommst nicht gegen das Walten der höheren Mächte an. Und der heilige Ort des Druidengrabs ab S.41 erinnert sehr an einen japanischen Zen-Garten...
Andreas (Martens) wurde 1951 in Weissenfels/ DDR geboren, siedelte aber schon 1960 in den Westen über. 1969 wurde er durch Eddy Paape (Luc Orient) an Comics herangeführt und publiziert seitdem grafisch herausragende Alben, von denen viele auch auf Deutsch erschienen sind (Carlsen, Reprodukt, alpha, Finix). In Angoulême wurde sein Gesamtwerk 2013 mit einer Werkschau gewürdigt.  (Quelle: SuL)

Autor: Michael Hüster