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10.06.2020
Comic Salon 2020 – Ausfall wegen Corona-Pandemie

„Natürlich denken wir im Moment ständig an den Salon, schließlich wären wir im Moment mitten im Aufbau“

„Natürlich denken wir im Moment ständig an den Salon, schließlich wären wir im Moment mitten im Aufbau“

Das Kulturamt der Stadt Erlangen meldete Mitte April 2020: Die Stadt Erlangen muss den 19. Internationalen Comic-Salon Erlangen absagen.

Die größte und wichtigste Veranstaltung für grafische Literatur und Comic-Kunst im deutschsprachigen Raum hätte vom 11. bis 14. Juni 2020 stattfinden sollen. Schon die weitreichenden Maßnahmen zur Eindämmung des neuartigen Corona-Virus hatten die Vorbereitungen für das Kulturamt der Stadt Erlangen, für die zahlreichen Kooperationspartner und die Aussteller erheblich erschwert. Die bundesweite Absage von Großveranstaltungen bis mindestens zum 31. August hat nun für endgültige Klarheit gesorgt. Der im Rahmen des Internationalen Comic-Salons vergebene Max und Moritz-Preis soll jedoch auch 2020 verliehen werden.

Nachfolgend ein Kurzinterview mit Bodo Birk (Festivalleiter) und Annika Gloystein (Pressesprecherin).

Die Stadt Erlangen hat es sich ja mit seinem Stopp wirklich nicht leicht gemacht. Die politischen Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene ließen dann aber keine andere Möglichkeit mehr zu, als abzusagen. Wie haben Sie das in den ersten 4-5 Wochen der Pandemie im Team erlebt? Was bedeutet der Ausfall für Sie persönlich? Denken Sie in diesen Tagen noch emotional daran, dass es bald losgegangen wäre?

Natürlich denken wir im Moment ständig an den Salon, schließlich wären wir im Moment mitten im Aufbau. Die Wochen bis zur Absage waren tatsächlich sehr nervenaufreibend. Weil wir uns der Tatsache bewusst sind, dass der Internationale Comic-Salon für die Comic-Branche nicht ganz unwichtig ist, haben wir lange an unseren Planungen festgehalten. Freilich gab es schon Anfang März Stimmen, die prophezeit haben, dass wir den Salon werden absagen müssen. Wir wollten aber auf keinen Fall riskieren, zu früh die Planungen einzustellen. Allerdings haben uns die Einschränkungen im Reiseverkehr und die Reduzierung von Kontakten Mitte März zu einem Zeitpunkt getroffen, an dem wir noch mitten in der inhaltlichen Arbeit waren. Treffen mit Kuratorinnen und Kuratoren, Besuche bei Künstlerinnen und Künstlern um Zeichnungen auszusuchen, Ortstermine mit Ausstellungsdesignern, das sind alles Dinge, die kaum in Form von Videokonferenzen umzusetzen sind. Wir mussten schon relativ bald erkennen, dass einzelne Projekte nicht mehr zu realisieren sind. Hinzu kam auch schon im März die Erkenntnis, dass auch die Verlage in ihren Vorbereitungen erheblich beeinträchtigt sind, weil sie beispielsweise keine internationalen Reisen für Künstlerinnen und Künstler mehr planen konnten.
 
Wie weit waren die Vorbereitungen schon vorangeschritten?  

Zwei Monate vor einem solchen Festival sind wir natürlich in den grundsätzlichen Planungen schon weit fortgeschritten. Alle Ausstellungen sind in Vorbereitung, die großen Aufträge an Firmen erteilt und das Personal engagiert. Die Herausforderung bestand dann darin, die laufenden Projekte sinnvoll so abzuarbeiten, dass möglichst wenig investierte Arbeitskraft und ausgegebenes Geld umsonst gewesen ist. Wir haben entschieden, welche Programmbestandteile man sinnvollerweise um zwei Jahre verschieben kann, welche in abgewandelter Form trotzdem stattfinden sollen und welche Projekte in anderen Zusammenhängen realisiert werden können. Wir werden versuchen, einzelne Aktivitäten ins Netz zu verlegen, Ausstellungen, die in zwei Jahren vielleicht nicht mehr aktuell wären, auf Wanderschaft zu schicken, Kindercomic-Lesungen beispielsweise im Rahmen des hoffentlich in abgewandelter Form möglichen Poetenfests zu realisieren usw. Es ist uns in diesem Zusammenhang aber vor allem wichtig, den Künstlerinnen und Künstlern, den freien Kuratorinnen und Kuratoren und anderen Selbständigen, mit denen wir zusammenarbeiten, auch weitere Aufträge zu generieren. In diesem Zusammenhang sind auch Aktivitäten wir der Blog „Zeich(n)en aus dem Homeoffice“ oder geplante digitale Aktivitäten zu sehen.

Falls nicht geheim: was hat der Comicsalon letztlich bis zur Absage schon an Kosten verursacht? Und was konnte gerade noch an finanziellen Schäden verhindert werden?

Geheim ist das natürlich überhaupt nicht. Wir gehen schließlich mit Steuergeldern um und sind sogar verpflichtet, dies öffentlich zu machen. Natürlich haben wir schon viel Geld investiert. Wenn es uns aber, wie beschrieben, gelingt, die wichtigen Projekte fortzusetzen, dann hält sich der finanzielle Schaden für die Stadt Erlangen in Grenzen. Vielleicht einige zehntausend Euro. Viel entscheidender war es, dass wir den finanziellen Schaden für die Aussteller so gering wie möglich halten. Die Belastungen sind derzeit ohnehin groß genug. Wir haben daher in internen Rundschreiben schon lange vor der endgültigen Absage die Aussteller auf die Gefahr hingewiesen und gebeten, ihre Planungen soweit auf Eis zu legen, dass keine neuen Kosten mehr entstehen.
 
Aktuell sind Großveranstaltungen ja noch bis Ende 8/20 auch in Bayern untersagt. Daher kam eine Verschiebung in die zweite Jahreshälfte nicht in Frage. Wie schätzen Sie den "Schaden" für Erlangen bzw. die Comicszene im Allgemeinen ein?

Sehr lange und intensiv haben wir über eine Verschiebung des Salons in den Herbst nachgedacht. Deshalb haben wir die Absage des Salons auch lange herausgezögert. Wir wollten gleich den Ersatztermin, den wir in enger Abstimmung mit den Verlagen und unter Berücksichtigung anderer Großveranstaltungen und Messen in der Region und Comic-Veranstaltungen in Deutschland und Europa, bereits gefunden hatten, mit kommunizieren. Erst mit dem Verbot von Großveranstaltungen bis mindestens 31. August war klar, dass es unverantwortlich wäre, einen Ersatztermin im September oder Oktober anzusetzen und den Ausstellern und den Kooperationspartnern erneut eine monatelange Planungsunsicherheit und damit womöglich auch erneute Kosten zuzumuten.
Natürlich hat die Stadt Erlangen mit dem Comic-Salon die größte Kulturveranstaltung des Jahres absagen müssen. Aber im Vergleich mit dem Lockdown insgesamt, ist der Ausfall eines viertägigen Festivals natürlich nicht das größte Problem. Und dann sind da natürlich die Einbußen in der Erlanger Gastronomie, in den Hotels und beim Einzelhandel. Wir sprechen schon von mehreren tausend auswärtigen Gästen, die in Erlangen gegessen, gefeiert und geschlafen hätten. Am gravierendsten ist der Einschnitt aber sicherlich für die Comic-Szene.
Dabei mag ich gar nicht darüber spekulieren, ob der langfristige materielle Schaden schlimmer ist, oder der ideele. Comics sind in Deutschland eine Nische des Literaturbetriebs. Wenn man Geld verdienen möchte, dann beschäftigt man sich besser mit anderen Dingen. Verlegerinnen und Verleger sowie Künstlerinnen und Künstler leben und arbeiten in Deutschland vielfach unter prekären Verhältnissen. In Erlangen treffen sie alle zwei Jahre auf Gleichgesinnte, können sich auszutauschen, ihren Leserinnen und Lesern begegnen und spüren, dass es Menschen gibt, für die Comics etwas Wichtiges sind. Wahrzunehmen, dass die Comic-Kunst als bedeutend empfunden wird, von den Besucherinnen und Besuchern, den Medien und nicht zuletzt von der Stadt Erlangen, das ist für die Szene vielleicht der wichtigste Aspekt am Internationalen Comic-Salon.

Ist es möglich, dass ehemals geplante Programm mit all seinen Ausstellungen 1:1 auf 2022 zu verschieben, oder müssen Sie im Prinzip komplett neu planen?  

Was wir geplant haben, orientiert sich ja daran, was die Comic-Branche momentan bewegt, das lässt sich nicht einfach so auf in zwei Jahren verschieben. Da sind dann wieder andere Themen angesagt. Als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse hätten in diesem Jahr kanadische Comics mit einer großen Ausstellung eine wichtige Rolle gespielt. Wenn wir das in zwei Jahren machen, dann ist der Kontext ein anderer und somit sicherlich auch die Ausstellung. Eine weitere geplante Ausstellung zu kongolesischen Comics lässt sich einfacher auf 2022 verschieben. Aber zwei Jahre sind auch eine lange Zeit und so versuchen wir die entstandene intensive Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen und Künstlern vor Ort mit einem digitalen Projekt weiter lebendig zu halten bis es dann in zwei Jahren zu einer Ausstellung und direktem Austausch hier kommen wird. Die eine oder andere Sache wird sich auf 2022 verschieben lassen, aber den Großteil versuchen wir trotzdem in anderen Formaten jetzt sichtbar zu machen.
 
Wären einzelne Ausstellungen dennoch in 2020 denkbar? Museen etc. dürfen ja wieder öffnen...

Sowohl das Kunstpalais, das Stadtmuseum als auch das Kunstmuseum haben nun wieder geöffnet und freuen sich, dass sie ihre Ausstellungen, die sie die ganze Zeit nicht zeigen konnten, nun der Öffentlichkeit präsentieren. Das heißt bei allen verschieben sich die Planungen nun nach hinten, Ausstellungszeiträume werden verlängert, damit die derzeitigen Ausstellungen noch wahrgenommen werden können. Das macht es natürlich schwierig an Ausstellungsfläche zu kommen. Abgesehen davon konzipieren wir ja die Ausstellungen zum Comic-Salon mit dem Wissen, dass viele Menschen den Weg nach Erlangen finden. So außerhalb eines Festivals erreichen wir leider nicht so viele. Dennoch: Eine geplante Ausstellung konzipieren wir gerade als Wanderausstellung. Ende August veranstalten wir das Poetenfest, ein Literaturfestival, bei der wir mindestens eine weitere Comic-Ausstellung zeigen werden.
 
Erlangen bietet ja noch andere kulturelle Ereignisse. Wie ist da der Planungsstand?

Nach derzeitigem Stand sind in Bayern Veranstaltungen in geschlossenen Räumen mit 50 Personen und draußen mit 100 Personen zugelassen. Wir konzipieren gerade neue Formate für unser Literaturfestival, eine Mischung aus Liveveranstaltungen mit wenigen Personen und poetische Entdeckungen, die ganz individuell im Stadtgebiet und online erlebbar sein werden. Unsere Abteilung organisiert auch jedes Jahr die Schlossgartenkonzerte. Da kommen sonst so um die 1000 Personen pro Konzert. Daran ist natürlich gerade auch nicht zu denken. Aber wir planen nun eine kleine Reihe an Abendkonzerten im Burgberggarten. Außerdem begleiten wir die Aktion „Kultur vor dem Fenster“ organisatorisch, bei der Privatpersonen sich Künstlerinnen und Künstler für ihren Hinterhof buchen können um mal wieder in den Genuss von Live-Erlebnissen zu kommen. Das Comic-Seminar soll in diesem Jahr auch noch stattfinden.
 
Wie geht es mit dem Max und Moritz-Preis weiter...?

Anfang Juni hat sich die Jury hier in Erlangen getroffen. Mit knapp 300 eingereichten Titeln hatte die Jury viel zu lesen und zu diskutieren. Wir werden die 25 nominierten Titel sowie den/die Lebenswerkpreisträger/in in der letzten Juniwoche bekanntgeben. Ab dann kann das Publikum über unsere Website für den Publikumspreis abstimmen. Die Bekanntgabe der einzelnen Preisträgerinnen und Preisträger wird dann drei Wochen später erfolgen. Wenn alles klappt, dann als Auftakt-Event einer neuen digitalen Plattform des Salons. Dazu gibt es demnächst mehr Informationen.

Autor: Michael Hüster