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23.09.2020
Edition 52: Engels - Revolutionär und Unternehmer

„Engels war nicht nur das Anhängsel von Marx, sondern eine eigene Persönlichkeit voller Widersprüche“

„Engels war nicht nur das Anhängsel von Marx, sondern eine eigene Persönlichkeit voller Widersprüche“

Wie kann ein Sozialist Unternehmer und Lebemann zugleich sein? Wie kommt jemand aus gutem pietistischem Haus dazu, sich für die Arbeiterklasse einzusetzen?

Wie entdeckt ein Idealist, dass Ökonomie die Antwort auf alle gesellschaftlichen Fragen ist? Diesen Fragen geht die neue Graphic Novel „Engels – Revolutionär und Unternehmer“ nach.
Nachfolgend ein Kurzinterview mit dem Kreativteam Christoph Heuer, Fabian W. W. Mauruschat und Uwe Garske.
 
PPM: Wie entstand die Idee zum Comic über Engels?
 
CH: Vor ca. 5 Jahren hatte ich zusammen mit Uwe ein Treffen mit Marianne Hilke, der Museumspädagogin des Archäologischen Parks in Xanten, in dem es darum ging, die Möglichkeiten für ein Comic zum Bataveraufstand auszuloten. Immerhin hatte ich zuvor bereits den Familienführer durch den Park illustriert, doch schon auf der Rückfahrt hatten wir das Gefühl, dass es vorerst nichts werden würde und so spielten Uwe und ich uns ein paar Vorschläge für ein anderes Projekt zu. Eine der ersten Ideen war eine Graphic-Novel über Friedrich Engels.
 
UG: Ja, Christoph hatte feine Illustrationen für den damaligen Familienführer des Parks in Xanten (Titel „Ein Tag im Römischen Xanten“, erschienen beim Nünnerich-Asmus Verlag) gezeichnet. Da ich auch ein Fan von historischen Comics bin - übrigens vielleicht aus Kindheitstagen, z.B.  die Prinz Eisenherz - Alben und einige Lehning Comics oder auch die damaligen Elastolinfiguren sehr mochte, fand ich die Vision, einen Comic-Roman über die damaligen Aufstände gegen die römische Besetzung zu machen, sehr reizvoll. Leider, wie schon angedeutet, bekamen wir vorerst kein grünes Licht und so betrieben wir auf der Rückfahrt eine Art spontanes Brainstorming für neue, weitere Ideen.

Da wir als EDITION52 gerade die sehr feine MITTELALTER - SERIE  HAUPTMANN VEIT von NOFI mit übernommen hatten, sprachen Christoph und ich auch den deutschen Bauernkrieg an. Ich berichtete Christoph auch von der neuen historischen Serie bei uns, wobei wir dann auch auf Friedrich Engels kamen, der eines der grundlegenden Werke über den deutschen Bauernkrieg schrieb. Und schon klickte es:  Engels, ein „Wuppertaler des 19 Jahrhunderts“, selber Revolutionär und in Deutschland seit 1849 politisch verfolgt, könnte auch selber mal in einer Graphic Novel gewürdigt werden. Dies ist nun gefühlte 5 Jahre fast her.
 
PPM: Beschreibt mal bitte kurz, worum es in Engels inhaltlich geht…
 
FM: Es geht um Engels als Mensch. Zum einen als den Mann im Schatten von Marx, den wir in das Rampenlicht holen. Der eben nicht nur das Anhängsel in Marx & Engels war, sondern eine eigene Persönlichkeit voller Widersprüche, mehr noch als beim großbürgerlich lebenden aber stets in Geldnöten steckenden Marx. Denn Engels konnte mit Geld umgehen, machte einiges an der Börse und in der Firma seines Vaters. Gleichzeitig hat er gesehen, was der Kapitalismus mit den Leuten angerichtet hat und handelte. Es geht darum, was einen klugen und empathischen Mann dazu bringt, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu untersuchen und ändern zu wollen. Er hätte ja auch einfach ein bisschen Geld spenden können für die elenden Massen und seinen Reichtum genießen, wie die heutigen Philanthropen.
 
UG:  Für mich als Sozialwissenschaftler und in frühen Jahren selbst politisch sehr bewegten Jugendlichen war es mein Ziel, ja vielleicht war es sogar auch eine gewisse moralische Verantwortung,  Engels Denken aktuell im Werk anhand des postmodernen entfesselten Neoliberalismus neu zu featuren, denn letztlich haben sich  „nur“ die wirtschaftlichen Orte der Ausbeutung verändert.

PPM: Welche Quellen wurden benutzt, um Engels Leben/Werk im Comic möglichst authentisch zu schildern?
 
CH: Neben den bekannten Biografien waren es bei mir die Schilderungen von Friedrich Lessner, einem langjährigen Weggefährten von Engels, und der sehr umfangreiche Briefwechsel, der in großen Teilen mittlerweile digitalisiert wurde. Das unterscheidet sich schon stark von dem uns übermitteltem Bild des Denkmals Engels, das uns in Bronze gegossen entgegen denkt.
 
FWWM: Unabdingbar war das Standardwerk „Friedrich Engels. Der Mann, der den Marxismus“ erfand von Tristan Hunt, Originaltitel „The Frock-coated Communist: The Revolutionary Life of Friedrich Engels“. Erhellend fand ich auch „Mrs Engels“ von Gavin McCrea, der aus der Sicht von Engels‘ Frau Lizzie Burns erzählt wird.
 
PPM: Welche Botschaft habt ihr mit dem Buch verbunden?
 
FWWM: Die einfachste Botschaft ist vielleicht, dass dieses „Gespenst“ Friedrich Engels ein ganz normaler Mensch mit Widersprüchen war. Der viele Ideen hatte, der aber auch nicht für Diktaturen oder autoritäre Staaten einstand, sondern für die ganz unten. Und dass die Probleme seiner Zeit, größtenteils hervorgerufen durch eine unkontrolliert wachsende Ökonomie errichtet mit der Arbeitskraft entrechteter Menschen, immer noch die Probleme unserer Zeit sind.

PPM: Vielen Dank für die interessanten Einblicke!

Autor: Michael Hüster