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05.01.2021
comicplus+

„Evropa“ und das „neue comicplus+“

„Evropa“ und das „neue comicplus+“

Eckart Sackmann: Wir haben vor vier Jahren angekündigt, dass wir 2020 mit comicplus+ aufhören; die Idee mit dem „neuen comicplus+“ kam erst später

Der Comic „Evropa“ spielt im Jahr 1999 im damaligen Jugoslawien. So rasant und abwechslungsreich "Evropa" auch erzählt ist, so dreht sich in diesem Comic im Grunde alles um den Krieg. Er hat nicht nur das Land, die Heimat der Agierenden verändert, er hat sich auch tief in die Seelen eingebrannt. Autor Tomaz Lavric sagt, anders als der Vorgänger "Bosnische Fabeln" sei "Evropa" eher „ein klassischer Thriller als ein Kriegsdrama“. Ein "Roadmovie" nennt er es an anderer Stelle.

PPM befragte Eckart Sackmann zu „Evropa“, dem neuen comicplus+ und „Der Schrei des Falken“

PPM: Wie bist du auf den Autor Lavric aufmerksam geworden?

E. Sackmann: Über unsere Serie „Zehn Gebote“, für die er das vierte Album, „Bei Gott dem Allmächtigen“, gezeichnet hat. Das ist eines meiner Lieblingskapitel in dieser Serie, nicht zuletzt wegen des zurückhaltenden, aber doch prägnanten Zeichenstils. Ich habe dann die Augen offengehalten, ob irgendwas anderes von Tomaz Lavric für unseren Verlag in Frage kommen könnte. In Frankreich wird er übrigens unter dem Kürzel TBC angeboten – das hat nichts mit der Krankheit zu tun, sondern heißt „to be continued“.
Ich habe da zunächst nur ein sehr jugoslawienbetontes Schwarzweiß-Album gesehen („Fables de Bosnie“), keine Serien. Und dann wurde 2003 das erste Kapitel von „Evropa“ in der Zeitschrift „Vécu“ vorabgedruckt und kam bald darauf als Album heraus. Album 2 folgte im Jahr darauf. Das hat mich begeistert, weil es erzählerisch so schön rotzfrech war.
Als wir jetzt für das „neue comicplus+“ nach kurzen Serien von zwei, drei Alben suchten, aus denen man ein Buch in unserem Stil machen kann, fielen mir wieder die beiden Alben von „Evropa“ in die Hände. Sie hatten die ganze Zeit über im Regal ausgeharrt und alle Wegwerf-Aktionen überstanden. In Frankreich kam die Serie nicht so gut an wie erwartet, so dass ich damals nicht erfahren habe, dass es noch einen dritten Teil gibt. Tomaz hat mir dann später erzählt, wie er Teil 3 auf eigenes Risiko gezeichnet hat und dann von Glénat abserviert wurde.

PPM: „Evropa“ ist kein einfaches Comicmaterial und schildert den Weg eines vom Bürgerkrieg in Jugoslawien traumatisierten Helden. Was hat euch bewogen, den Band dennoch ins Programm aufzunehmen?
 
E. Sackmann: Dennoch? Gerade deswegen! „Evropa“ ist eine sehr komplexe Erzählung, die sich dem Leser auf vielen Ebenen anbietet. Die politische hat Lavric nicht überbetont, aber der Krieg ist natürlich für den „Helden“, für Zile, das prägende Element. Interessant ist auch, dass sich ein slowenischer Autor einen Serben zum Protagonisten nimmt. Zu den Serben, wie überhaupt zu diesem Krieg, haben wir hier in Deutschland eine recht einseitige Berichterstattung erlebt.
Aber wenn du sagst, „Evropa“ sei „kein einfaches Comicmaterial“, solltest du mal den Nachfolger abwarten, „Yeshua“, der bei uns im Mai 2021 erscheint. In Frankreich ist der Comic bei Mosquito 2018 in Schwarzweiß herausgekommen war; darüber habe ich ihn auch entdeckt. In Slowenien gibt es „Yeshua“ in Farbe, wieder drei Alben, und so war es recht bald ausgemacht, dass das unser nächstes Buch bei comicplus+ werden würde. Über die Geschichte will ich jetzt noch nicht zu viel verraten, nur dass es eine recht unkonventionelle Schilderung des Lebens von Jesus Christus ist. „Yeshua und seine Jugendgang“ heißt es in Slowenien. Ich bin gespannt, wie die Kirche hierzulande damit klarkommt. Tomaz Lavric ist ein toller Zeichner und Autor mit sehr eigenen Ideen, und wir sind froh, mit ihm zusammenarbeiten zu dürfen. Zurzeit arbeitet er an einer Pestgeschichte, aber es dauert wohl einige Jahre, bis das für uns spruchreif ist.

PPM: Du sprachst vom „neuen comicplus+“? Was heißt das?

E. Sackmann: 2020 ist das „alte comicplus+“ mit seinen langen Gesamtausgaben beendet. Mit „Evropa“ – eigentlich vorher schon mit „Azrayen“ und „Verzweifelt!“  – beginnen wir im Grunde etwas anderes: Gesamtausgaben in einem Band. Jedes neue Buch ist volles Risiko und wird durch nichts aufgefangen. Ein paar Jahre lang wollen wir das mit zwei Büchern pro Jahr fortsetzen, so lange, bis der „alte“ Verlag abgewickelt ist. Es dauert eine Weile, das Lager aufzuräumen und den Boden zu fegen. Wir haben vor vier Jahren angekündigt, dass wir 2020 mit comicplus+ aufhören; die Idee mit dem „neuen comicplus+“ kam erst später.

PPM: Eine Serie des „alten comicplus+“ ist noch nicht abgeschlossen. Wie ist die aktuelle Situation bei „Der Schrei des Falken“? Der Autor Pellerin benötigt einerseits sehr viel Zeit für ein Album, ist aber andererseits auch nicht mehr der Jüngste. Hat er sich schon mal dazu geäußert, wann und mit welchem Band er den aktuellen Zyklus abschließen wird?

E. Sackmann: Das hat er. Ich zitiere Pellerin: „Mein Vater ist 87; er macht sich ernstlich Sorgen, dass er das Ende der Geschichte vielleicht nicht mehr erleben wird. Ich habe ihm versprochen, dass ich im Fall, dass er sich nicht gut fühlt, das Szenario mit dem Schluss schicken werde. Für mich wird das auch zum Problem: Ich bin jetzt 65; in Coronazeiten gehöre ich damit zur Risikogruppe. Deswegen beeile ich mich ein bisschen, beim Schreiben des Szenarios wie auch mit der Recherche. Außerdem habe ich Anweisungen gegeben, dass dieser Zyklus im Fall meines Todes von jemand anderem fortgesetzt werden soll.“

Der zweite Zyklus umfasst wieder 6 Alben (Bde. 7 bis 12 der Albenserie). 9 und 10 kommen in unserem Band 5 im Mai 2021. Auf jeden Fall wollen wir bei comicplus+ nicht warten, bis wir dann wieder zwei Alben zu einem Buch bündeln können. Also wird es wohl zwei Bände geben, die jeweils mit einem Album, Pellerins Illustrationen und Zusatzmaterial gefüllt werden. Davon gibt es zum Glück ausreichend.

PPM: Vielen Dank für die sehr interessanten Hintergrundinfos!
 
Mehr zum Comic Evropa gibt es hier

(c) Abbildungen comicplus+ 2020

 



 

Autor: Michael Hüster