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16.02.2024
Deutsche Comicforschung 2024: Band 20

Eckart Sackmann: „Ich habe nie verstanden, wie man Bücher über Comics herausbringen kann, denen es an Abbildungen mangelt“

Eckart Sackmann: „Ich habe nie verstanden, wie man Bücher über Comics herausbringen kann, denen es an Abbildungen mangelt“
Die seit 2005 jährlich fortgeführte Reihe "Deutsche Comicforschung" ist das Standardwerk zur Erforschung der nationalen Comicgeschichte.

Wissenschaftlich akribisch und trotzdem lesbar, angereichert mit Hunderten von zumeist farbigen Abbildungen, bietet jeder Band einen Fundus von bisher unbekannten Beispielen deutschsprachiger Comics aller Epochen.
An Vielfalt und fülle mangelt es der Reihe „Deutsche Comicforschung“ nicht. Obwohl die Comicliteratur unseres Landes im Vergleich mit der Frankreichs, Belgiens oder der USA klein ist, scheint den Autoren der Stoff nicht auszugehen. Ihre Arbeit spiegelt die Bild-Erzählung des deutschen Sprachraums vom Mittelalter bis in unsere Tage.
Es gibt auf der ganzen Welt nichts Vergleichbares, weder in Frankreich und Belgien noch in den USA.

Inhalt

  • "Aus den Erzählungen des Veteranen Mislowitz"
  • Henri Zislin: Antideutsche Propaganda aus dem Elsass
  • Neuer Typus der 1930er Jahre: Die "Reihenbilder-Anzeige"
  • Kaloderma-Gelee - Werbung nach amerikanischem Vorbild
  • József Jusztusz - ein Opfer seiner Zeit
  • Fritz Hinterleitner: "Die Abenteuer des Juden Tate!"
  • Wilhelm Petersen nach dem Krieg: Mecki und Sammelbilder
  • Fritz Lattkes Zeitungscomics der 50er Jahre
  • Alte Kameraden: Iversen, Ifland, Köhler und der Simplicissimus
  • "Super Kevin" - vom Fußballstar zum Comic-Helden
  • Immer eine Nasenlänge voraus: "Schnuppis Abenteuer" bei C&A
  • Mitarbeiter dieser Ausgabe: Dr. Matthias Kretschmer, Dr. Helmut Kronthaler, Ralf Palandt, Tomas Prokupek, Siegmund Riedel, Dr. Eckart Sackmann


Meinung: Wie jeder der vorangehenden Bände folgt auch dieser 20. Band dem Prinzip, die deutschsprachige Comicgeschichte von einem frühen zu einem späten Beispiel abzuschreiten. Ein sehr nützliches Prinzip, das es den Herausgebern erlaubt, noch viele weitere Entdeckungen folgen zu lassen.

Fototext: Werbeaktion für das Koralle ZACK: Kevin Keegan (Mitte). Rechts im Bild der damalige Koralle-ZACK-Redakteur Klaus Steffensen

Einer der Artikel, „Neuer Typus der 1930er Jahre: Die Reihenbilder-Anzeige“, geschrieben von Eckart Sackmann, befasst sich mit Werbung der damaligen Zeit. Anhand von vielen Bildbeispielen werden dabei die Unterschiede zwischen US-Werbung und Werbung im dritten Reich oder auch in der Schweiz aufgezeigt. Um die ganze Sichtweise richtig einordnen zu können, bedarf es auch Zeitzeugen, die sich damals schon ausführlich Gedanken über die Wirkung der Werbung gemacht haben. Ein solcher Beleg ist ein Artikel aus dem Jahre 1937 von Dr. R.A. Winkler. Spannend.

Sehr interessant ist auch der Artikel „Antideutsche Propaganda aus dem Elsass“ von Helmut Kronthaler. In diesem geht es um Henri Zislin, der in einer satirischen Bildfolge aus dem Jahr 1905 gegen Bestrebungen zur Bildung eines eigenständigen Bundesstaates Elsass innerhalb des Deutschen Kaiserreichs polemisierte. Dabei lässt er kein gutes Haar an den Deutschen. Seine antideutschen Karikaturen und Kommentare brachten Zislin diverse Konflikte mit der Justiz ein. Da bekommt man heute noch ein unangenehmes Gefühl.

Zwei Beiträge gewährend Einblicke in das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. Der eine führt den skrupellosen Antisemitismus des Österreichers Fritz Hinterleitner vor, und Matthias Kretschmer hat minutiös die Nazi-Vergangenheit von Zeichnern und Herausgebern des Nachkriegs-„Simplicissimus“ nachverfolgt, die 2022 bei einer Ausstellung des Kölner Käthe Kollwitz Museums ganz naiv als junge „neue Mannschaft“ angepriesen worden waren.

Der für mich beste, unter den allesamt guten Artikeln, ist Eckart Sackmanns Beitrag „Super Kevin“ – vom Fußballstar zum Comic-Helden. Obwohl ich zur damaligen Zeit, Ende der 1970er, bereits selbst Autofahrer war, ist die groß angelegte BP-Webekampagne komplett an mir vorbei gegangen. Umso spannender, die ganze Aktion heute nachlesen zu können. Bekannt war mir, dass Kevin Keegan damals auch für eine Werbeaktion einschließlich Comic für das heute legendäre Comicmagazin ZACK zur Verfügung stand (siehe Foto). Längst vergessen war dagegen aber, das Keegan nach einer gewonnenen Meisterschaft mit dem HSV nach relativ kurzer Zeit wieder auf die Insel zurückgekehrt war. Was Eckart Sackmann alles an Illustrationen aufgetan hat, ist schon bemerkenswert. Eine echte Fleißarbeit!

Mit großem Interesse habe ich den Beitrag „Immer eine Nasenlänge voraus: „Schnuppis Abenteuer“ bei C&A von Siegmund Riedel gelesen. Die Werbefigur gab es über zwei Jahrzehnte, ein für heutige Verhältnisse unglaublicher Zeitraum. Gibt es heute noch so langlebige Werbefiguren? Als Teenager war ich Mitte der 1970er nicht mehr Zielgruppe. Schnuppi samt Comic-Kundenmagazin von Blöß und Henseler habe ich daher nicht kennen gelernt. Ich habe nur noch das Palomino-Pferd von C & A in Erinnerung. Prima Artikel.

Weitere wie immer vorbildlich recherchierte Artikel (siehe Einleitung) runden den sehr lesenswerten Inhalt des Buches ab.  Das neue Werk macht deutlich, dass es auch nach 20 Bänden Comicforschung noch viel zum Thema zu schreiben gibt.

Die Redaktion der Deutschen Comicforschung bittet daher um finanzielle Unterstützung, da eine Fortsetzung der Buchreihe ohne externe Unterstützung nach 2024 nicht mehr gewährleistet ist. Wer das Team unterstützen möchte, der wende sich an den Freundeskreis Deutsche Comicforschung, c/o Hans-Joachim Kalbe, hj.kalbe@web.de

Außerdem erschienen: Deutsche Comicforschung 2005 bis 2024
Register Bände 1 bis 20
20 Jahre Deutsche Comicforschung: Der nun vorliegende Registerband verschafft dem Leser endlich einen Überblick über die hier erschienenen rund zweihundert Beiträge. Insgesamt 42 Autoren haben dazu beigetragen, dass der Blick auf den deutschen Comic ein anderer wurde. Ihre Arbeit spiegelt die Vielfalt und Bedeutung dieser Bildliteratur vom Mittelalter bis in unsere Zeit.
Rund 3000 Seiten füllen die immer pünktlich zum Jahresende vorliegenden Bände insgesamt. Die Anzahl der Abbildungen beziffert Sackmann auf „rund 8000“.
Der Registerband enthält außerdem den Artikel „Propaganda-Figuren: Vom Kohlenklau zum Wattfraß.“ von Ralf Palandt.

Autor: Michael Hüster