Welcher Fan franko-belgischer Comics kennt sie nicht, die Abenteuer des Roten Korsaren, vor dem im 18. Jahrhundert die Gouverneure der reichen spanischen und englischen Kolonien in ihren Palästen zittern. Ganze Kriegsflotten werden ausgesandt, um den Mann, der für diesen Zustand verantwortlich ist, unschädlich zu machen. Niemand kennt seine wahre Identität, doch sein Name lässt jeden erschaudern: Der Rote Korsar. Nur wenige, die seinen „Schwarzen Falken“ mit der wehenden Totenkopffahne an der Mastspitze zu Gesicht bekommen haben, können vom „Teufel der Karibik“ berichten, denn der Rote Korsar kennt keine Gnade. An seiner Seite kämpft eine mutige und draufgängerische Mannschaft, die keine Furcht kennt. Zu den Männern des Roten Korsaren gehören auch Baba, ein Schwarzer, den der Pirat aus der Sklaverei befreit hat, der alte Dreifuss, ein ehemaliger Gelehrter, dessen Spitzname auf sein Holzbein zurückzuführen ist, und Rick, den der Rote Korsar einst an Bord eines geenterten spanischen Schiffes fand. Er rettete Rick von dem sinkenden Schiff und machte ihn zu seinem Sohn.
Die Serie, die zu den beliebtesten Piraten-Comics überhaupt zählt, beeindruckte Anfang der sechziger Jahre auch die Asterix-Autoren René Goscinny und Albert Uderzo. Sie setzten dem Roten Korsaren in ihren Asterix-Abenteuern ein Denkmal: Die Piraten, die als Running-Gag immer wieder von Asterix und Obelix versenkt werden, sind natürlich der „Rote Korsar“ und seine Mannschaft des „Schwarzen Falken“.
Charlier und Hubinon lernten sich 1946 bei der belgischen Presse-Agentur „World Press“ kennen, die verschiedene Jugendmagazine mit redaktionellen Beiträgen und Comics belieferte. Im gleichen Jahr erschien in „Spirou“ die erste Comic-Story der beiden Autoren mit dem Titel „L’agonie du Bismarck“, in der es um ein Ereignis aus dem 2. Weltkrieg geht. Es war der Beginn einer langen und erfolgreichen Zusammenarbeit. So entstand ab 1947 für „Spirou“ die Fliegerserie „Buck Danny“, die heute zu den franko-belgischen Comic-Klassikern zu zählen ist. Es folgten die Comic-Abenteuer „Joe la Tornade“ (1948/49 für „Bimbo“), „Tarawa, atoll sanglant“ (1948/49 für „Le Moustique“), „Surcouf, roi des corsaires“ (1949 bis 1952 für „Spirou“), „Tiger Joe“ (1950/1951 für „La Libre Belgique“/ „La Libre Junior“) und „Jean Mermoz, chevalier du ciel“ (1955/56 für „Spirou“).
Zehn Jahre nach dem Korsaren-Comic „Surcouf, roi des corsaires“ erschien am 29. Oktober 1959 in Pilote die erste Folge von „Der Rote Korsar“ (frz. „Barbe Rouge“).
Jean-Michel Charlier, einer der berühmtesten Comic-Szenaristen Europas, schrieb für 25 Alben die Szenarios (und den Anfang einer 26. Geschichte), Victor Hubinon zeichnete die ersten 17 Abenteuer vom „Teufel der Karibik“. Nach dem Tod der Autoren wurde die Serie von den Szenaristen Jean Ollivier und Christian Perrissin sowie den Zeichnern Lorg, Jijé, Patrice Pellerin, Christian Gaty und Marc Bourgne fortgesetzt. In bislang 5 Alben von Christian Perrissin (Szenarios) und Daniel Redondo (Zeichnungen) erlebt der Rote Korsar zudem seine Jugendabenteuer.
2020 verpassten Autor Jean-Charles Kraehn ("Tramp") und Zeichner Stefano Carloni ("Die neue Welt") dem alten Haudegen eine erfolgreiche Frischzellenkur. Auf den zweibändigen Zyklus "Hängt ihn höher" und "Die Hunde des Meeres" folgt im September 2024 ein weiteres Abenteuer, das den Korsar und seine Crew in neue Gefilde (und womöglich über die Planke) führt. Schiff ahoi!
Autor: Michael Hüster