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06.05.2020
OS CANGACEIROS

Das letzte Werk von Wiechmann und Mendez und die erstaunlichen Hintergründe

Das letzte Werk von Wiechmann und Mendez und die erstaunlichen Hintergründe

Die Veröffentlichung eines Auszugs aus dem Artikel über das letzte Werk von Peter Wiechmann erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Autor Gerhard Förster.

Raues Land, raue Sitten

Kennt der Europäer die brasilianischen Banditen, die Cangaceiros genannt wurden und sich Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Not heraus formierten und ihr Unwesen trieben? Wenn er sie kennt, dann wahrscheinlich durch den in Cannes 1953 prämierten Film „O Cangaceiro – Die Gesetzlosen“ von Lima Barreto, oder zumindest durch die darin vorkommende Hymne der Cangaceiros „Mulher Rendeira“ („Olé O Cangaceiro“), die u.a. auch von Joan Baez und Bruce Low gecovert wurde. Sowohl Hermann, der 1996 den Comic „Caatinga“ zeichnete, als auch Peter Wiechmann wurden durch den – für seine Zeit – ziemlich gewalttätigen Film in den Bann dieses Themas gezogen. Wiechmann wurde später noch durch den anspruchsvollen Roman „Grande Sertão“ von João Guimarães Rosa, der als brasilianisches Nationalepos bezeichnet wird (im Internet noch gut erhältlich), zu dem Thema angestachelt. Darin erzählt ein ehemaliger Bandit von seinem Leben.

„Cangaceiro“ war ursprünglich ein abwertender Ausdruck für
Buschräuber, Habenichtse. Doch die stolzen Banditen machten die Krücke zum Zepter. Bald nannte man die sozialen Gesetzlosen, die der ärmsten Bevölkerung eine gewisse Unterstützung boten, „Cangaceiros“. Der mit Abstand berühmteste Cangaceiro war und ist Virgulino Ferreira da Silva, genannt Lampião (1898-1938). Nachdem sein Vater von der Polizei ermordet wurde, schwor er Rache und begab sich in das halbwüstenartige Gebiet des Sertão, um sich dort den Cangaceiros anzuschließen. 1920 ernannte man ihn zum Anführer einer Bande. Im Gegensatz zu anderen Cangaceiros, die sich großzügig gegenüber den Armen des Sertão zeigten, profilierte sich Lampião allerdings mehr durch seine Grausamkeit. Mit zunehmendem Erfolg wurde er leichtsinnig. Der Tipp eines Verräters führte 1938 zu seinem Tod durch Kugeln des Militärs. Die konservierten Köpfe von Lampião und seiner Truppe wurden in einer Ausstellung zur Abschreckung herumgezeigt und später einem medizinischen Institut
übergeben. Erst 1969 gelang es Angehörigen, sie bestatten zu lassen.

Die turbulente Geschichte von OS CANGACEIROS

Schon in den frühen 70ern, zu Kaukas Zeiten, hatte Peter Wiechmann das Zeichenstudio Bardon Art beauftragte einen geeigneten Künstler für einen Cangaceiro-Comic zu finden. Bardon-Chef Jordi Macabich ließ zwei Künstler Probeseiten zeichnen: Jordi Bernet (ANDRAX) und Rafael Mendez (HOMBRE). Peter war von beiden beeindruckt, aber letztlich froh, dass ihm die Entscheidung abgenommen wurde, weil Bernet wieder absprang.

1985, als Wiechmann mit Comicon in Barcelona ein eigenes Studio etabliert hatte und sich die Aufregung über die neue Konkurrenz langsam legte, griffen Peter und der befreundete Mendez in Gesprächen das Thema, das sie schon früher bei ihren Treffen beschäftigte, wieder auf. Peter fand es an sich höchst an der Zeit, die Cangaceiros als Comicserie auszuschlachten und er wunderte sich, dass das bisher keiner tat. Man sprach über den Inhalt, aber es fehlte das Konzept für eine dauerhafte Serie. Mendez will starten – Peter zögert! Die Nachfrage nach realistischen Comics stagnierte zu der Zeit nämlich. Er müsste auf Halde arbeiten und auf bessere Zeiten warten. Doch Mendez kannte kein Halten. Ohne Absprache zeichnete er die 48 Seiten von Band 1 als detailliertes Scribble. Er dürfte sich die konkrete Story selbst ausgedacht haben, basierend auf Wiechmanns Ideen. Schließlich traf sein Umschlag bei Peter ein. Normalerweise schätzte der so ein Vorpreschen aus Leidenschaft, doch in diesem Fall war ihm eher mulmig zumute. Jetzt den Band fertig zeichnen zu lassen, hätte geheißen, 12.000 DM zu zahlen, ohne dass ein Verleger in Aussicht war. Er wollte Mendez aber auch nicht frustrieren, überwies ihm ein angemessenes Honorar für das Scribble und vertröstete ihn vage.

Einige Wochen später erreichte Wiechmann die Nachricht, dass Rafael von einer heimtückischen, endogenen Depression heimgesucht wurde und der Arzt ihm eine unverzügliche Abstinenz in Sachen Arbeit verordnet hätte. (…)

Den kompletten Artikel gibt es in der neuen Sprechblase 242.

© Abbildung:  Wiechmann/Mendez

INHALT SPRECHBLASE 242

05 Buch „Akim und seine Väter“ Interview mit Autor Peter Kronhagel
09 Nachruf: Wolfgang J. Fuchs
10 Nachruf: Peter Wiechmann
12 OS CANGACEIROS, der letzte Comic von Wiechmann und Mendez
16 Interview: Chris Scheuer und Matthias Bauer zu REICHE ERNTE (mit Comic)
23 HARRY-Magazin: Rezis, News, Generation Lehning
28 Restaurieren oder nicht? Ein Experte gibt Auskunft.
32 Nachrufe: Purita Campos, Claire Bretécher
43 Nimm das, Adolf! Zur Ausstellung und dem Katalog von Alexander Braun
44 Interview: Helmut Nickel (Teil 2)
53 80 Jahre Marvel – Das vergessene Golden Age
60 Steve Ditko (Teil 3)
70 OLAC, DER GLADIATOR (mit Comic)
80 Leserbriefe

Autor: Michael Hüster