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24.01.2020
Rückblick: Das ZACK – Interview mit Peter Wiechmann

In Gedenken an den großen Comic-Macher

In Gedenken an den großen Comic-Macher

Wie PPM berichtete, ist Peter Wiechmann, einer der bekanntesten deutschen Comic-Macher, am 11.1.2020 im Alter von 80 Jahren gestorben.

Im Jahre 2010 führte PPM-Pressemitarbeiter Michael Hüster ein langes Interview mit Peter Wiechmann rund um sein Comic-Schaffen. In Gedenken an Peter Wiechmann nachfolgend ein Auszug aus dem Interview in ZACK 129  (3/2010).
 
Blick zurück in alte Zeiten: Ende 1964 kamen Sie erstmals zum Kauka-Verlag. Können Sie sich noch an Ihr erstes Zusammentreffen mit Rolf Kauka und Ihren ersten Vertragsabschluss erinnern?




Peter Wiechmann: Nach endloser Bahn- und Straßenbahnfahrt war ich endlich im Schloss. Der Schlossherr saß in Schwarz in meinem späteren Office an meinem späteren Holztisch. Aufgeräumt beide: Rolf Kauka und der Tisch. Ich gestand ihm, das erste Eulenspiegelheft (Nr. 2) direkt nach dem Kauf wieder in eine neue Ausgabe von ZELT eingetauscht zu haben. Ausschlaggebend für die Einstellung war wohl meine Bundeswehrzeit als Journalist und meine langen Jahre als Häuptling eines Waldläufertrupps (Jugendbewegung). Die Fahrtgelderstattung wollte sich Rolf Kauka sparen, aber ich musste energisch darauf drängen. Wir wären sonst in Düsseldorf mit dem Haushaltsgeld nicht hingekommen. Unsere damalige ‚Wohnung’ befand sich zwar nur in zwei nebeneinander liegenden Garagen, aber 400.- DM mussten dafür im teuren Düsseldorf dennoch hingeblättert werden.

Welche Tätigkeit haben Sie als Redakteur bei Kauka übernommen?  Welche Magazine erschienen zu dieser Zeit im Verlag?

Peter Wiechmann: Der Vertrag weist mich zwar als Redakteur aus, aber für einen solchen gab es augenscheinlich keine Arbeit. Also beschaffte ich sie mir und klinkte mich bei LUPO ein. Kurze Zeit vor der Umstellung auf LUPO-modern war ich dann verantwortlich für das neue Heft und konnte mir auch zwei Mitarbeiter anheuern: Ulrich Prost und Rainer Staebe.
Neben LUPO-Modern gab es damals nur FIX&FOXI und dessen Extra-Editionen (Weihnachtssonderheft etc). LUPO-modern publizierte vorwiegend belgisch-französisches Lizenzmaterial wie Lucky Luke, Spirou, Asterix usw.
Problematisch war die Eindeutschung der Fliegerserie Tanguy (bei uns Rolf & Micki), weil im Original echte Einsätze der französischen Luftwaffe vorgegeben wurden und wir mühsam und ohne besondere Vorkenntnisse Luftwaffen-Manöver daraus drechseln mussten. Keiner schaute uns dabei jedoch allzu kritisch auf die Finger.
Berühmt-berüchtigt dagegen wurde nur die Eindeutschung von Asterix. Aber darüber wird ja unbeirrt alle Jahre wieder unreflektiert berichtet – spare ich mir also hier die Kommentare. Meine Schilderung der damaligen Vorgänge ist in der Kauka-Chronik nachzulesen (Sprechblase/Hethke Verlag).

Ende 1965 endete dann wegen einer nicht eingelösten, aber von Rolf Kauka zugesagten Gehaltserhöhung Ihre erste Tätigkeit für den Kauka-Verlag. Nach einer 2jährigen Unterbrechung erfolgte die Rückkehr zum Kauka-Verlag. Diese dauerte schließlich bis Ende 1974. Was waren Ihre wesentlichen Aufgabengebiete? Welche neuen Heftserien wurden konzipiert bzw. umgesetzt?

Peter Wiechmann: Anfang 1968 begann die zweite Phase meines Engagements für den Kauka-Verlag und seine Publikationen. Ich fand FIX & FOXI und BUSSI-BÄR und eine vor sich hin dümpelnde Heftproduktion mit abgeschlossenen Albumgeschichten vor. LUPO-modern und das Nachfolge-Produkt TIP-TOP waren bereits Geschichte.
Die bekannte Suche nach einer Aufgabe startete von neuem: Ich hatte wieder keine klar deklarierte Job-Beschreibung, kannte aber inzwischen die Spielregeln. Nach einer Anlaufzeit belieferte ich FIX & FOXI mit Serien: Zum Beispiel mit TRAMP. Ich organisierte die Story-Produktion und baute, neben dem nur spärlich vorhandenen narrativen Kreativ-Potential, ein Autoren- und Zeichner-Netz auf. Außerdem baute ich die unterbesetzten Redaktionen aus und begann damit, neue Titel zu konzipieren und zu produzieren und in den Markt zu bringen: FF-EXTRA, PEPITO, PRIMO, FF-JAHRBUCH, KAUKA-COMIC, FF-ALBUM, TOM & BIBER u. v. a.

Diese Entfaltungsmöglichkeit war in erster Linie Rolf Kaukas Innovations-Elan (und seinen späteren Zielen) zu verdanken. Machbar wurde die Umsetzung meiner Ideen aber nur dank ausgezeichneter Mitarbeiter wie Gaby Schuster, Manfred Klinke, Peter Puls, Günter Ropertz und natürlich ‚Kosta’!  Sie waren zu fast jeder dieser Hochphasen überbelastet, fanden aber dennoch Kraft und Initiative zu extremen Alpenexpeditionen und nächtlichem Druck von Kinderbüchern im Keller meines Mietshauses. (= Mit Bleibuchstaben gesetzte Texte, mehrfarbigen Linolschnitten, auf einem uralten ‚Boston’-Tiegel handgedruckt und dann handgebunden ... und schließlich erfolgreich handvertrieben.)

Im Juli 1973 übernahmen die britischen und niederländischen Verlagshäuser IPC/VNU den Kauka-Verlag. Die Geschäftspolitik der neuen Herausgeber war nicht die des Peter Wiechmann. Bevor Sie Ende 1974 kündigten, gab es noch einige „interessante“ Monate mit Peter M. Tuijnman & Co. Was ist Ihnen aus dieser Phase Ihrer Kauka-Tätigkeit noch in Erinnerung geblieben?

Peter Wiechmann: Chaos, dein Name ist Tuijnman! Seit dieser Zeit hasse ich das Arbeitsverhinderungs-Wort „Meeting”. Jeder und alle meeteten: In London, im Flugzeug, in Nizza, im Schloss, im Arabellahaus, in Amsterdam, auf diversen Flughäfen, im Urlaub. Und Rückkehrende von einem Meeting, versammelten dann die Mitarbeiter zum Meeting, um die Ergebnisse des vorausgegangenen Meetings zu erörtern. Doch heute weiß ich: Peter Tuijnman war ein Getriebener vieler Herren in England, Holland und Deutschland und schließlich ein Zerriebener zwischen allen Mühlsteinen.

Kauka zum Dritten. Nach der Kündigung bei IPC/VNU blieben Sie Kauka treu und widmeten sich u. a. der Münchener Kauka-Comic-Akademie. Welches waren die Ideen/Ziele der Akademie? Was gehörte 1975 noch zu Ihren Aufgaben bei Kauka?

Peter Wiechmann: Ich kündigte bei Tuijnman & Co., ohne Netz und ohne doppelten Boden. Dennoch fing mich Rolf Kauka auf ... äh ... wohl eher ein. Die Kauka-Comic-Akademie war eine Idee, der ich irgendwie eine Basis basteln sollte. Ideen-Beispiele: Aufbau eines weltweiten/europaweiten Zeichner-Netzes, Schulung von Comic-Autoren, Serien-Erfindern, Comic-Drehbuchschreibern, Comic-Zeichnern, Produktion und Vermarktung neuer Serien, TV-Serien-Produktionen, Vermarktung der vorhandenen freien Comic-Serien (z.B. aus PRIMO: Andrax etc.), Comic-Kongresse.

Alles war angedacht, aber nichts hatte so richtig Hand und Fuß. Und Rolf Kauka hatte es (erstaunlicher Weise) auch nicht eilig. Und dann konnte ich das ZACK-Intermezzo einfädeln. Die Verhandlungen liefen auf höchster und dann auf der Ebene dicht darunter an: Kauka/Springer, Kauka/Koralle.
Ich saß inzwischen an meinem Holztisch (siehe Interview-Anfang) und hatte um mich herum Berge bereits veröffentlichter ZACK-Ausgaben. Für die Putzfrau war das Zimmer tabu. Ich analysierte und konzipierte. Wähnte reichlich blauäugig, dass dringender Bedarf an einem durchgreifenden Reformer bestand. Aber das war ein Irrtum...
Als Frage bleibt: Was sollte das Hamburg-Happening? Meine mit den Jahren gewachsene Vermutung ist: Was Springer und Kauka in den Höhen der positionierten Abgehobenheit besiegelten, fand keine Zustimmung in etwas tiefer gelegenen Machtgefilden. Dort wurde das Bestehende etwas zurückgenommen und im Übrigen abwartend gemauert. Rolf Kauka hatte da oben (Hamburg) keine wirkliche Chance und ich schon gar nicht. Ich leiste mir ansonsten den Luxus des Verweisens und empfehle das ZACK-Kapitel in der Kauka-Chronik ( = Sprechblase)

Was folgte nach ZACK? Gemeinsam mit Fred Kipka, einem früheren FF- und ZACK-Redakteur, gründeten Sie schließlich das Comic Service Studio COMICON…

Peter Wiechmann: Ich konzipierte und produzierte nach ZACK für YPS fünf neue Wiechmann-eigene Serien: Hombre (Rafael Mendez)  - Mister Melone – Thomas der Trommler (Josep Gual)  - Bens Bande (Josep Marti) & Gries, Gram & Grimm etc.
Dann gründete ich COMICON und nahm Fred Kipka als gleichberechtigten Partner mit in das Boot. Wir produzierten uns die Finger wund. Ein paar hundert Seiten monatlich allein für Pabel (FIX & FOXI, FF-Extra etc). Wir machten Werbung und erfanden Kindermode für Schiesser etc. Mein DIETRICH VON BERN (Rafael Mendez) entstand und wurde, obwohl eigentlich als Buch gedacht, in FF-EXTRA publiziert. 1981 ging ich nach Barcelona, um dort die ausufernde Produktion aller COMICON-Aufträge zu kanalisieren und zu koordinieren.

COMICON wurde später in KipkaKomiks und COMICON II aufgeteilt. Wie kam es zur Trennung von Kipka?

Peter Wiechmann: COMICON mit den Eignern Wiechmann & Kipka bestand immerhin zehn lange, fruchtbare Jahre. Länger als jede moderne Ehe! Warum der Bruch? Auseinandergelebt, würde ich sagen. Mit José (Pepe) Ferré Elies gründete ich dann in Barcelona COMICON II. Auch diesem Studio in dieser Partnerkonstellation waren genau zehn Jahre gegeben. Dann übergab ich COMICON dem einzig richtigen und fähigen Nachfolger von allen: An Christof Ruoss! Er ist der beste Kenner des Metiers und der fairste und erfahrenste Partner, den sich ein Auftraggeber nur wünschen kann!

Welche der vielen Zeichner und Szenaristen, denen Sie in Ihrem Berufsleben begegnet sind, würden Sie aufgrund ihrer Comic-Arbeiten als persönliche Favoriten bezeichnen?

Peter Wiechmann: Allen voran Pepe Ferré!  Er führt die lange Liste der außergewöhnlichen Talente an. Gefolgt von Juan Sarompas, Rafael Mendez, Esteban Maroto, Florian Julino, Riccardo Rinaldi, Angel Nadal, Kosta, Kara, ... ja und auch und in spezieller Weise Helmut Murek. Zu allen gäbe es viel zu sagen und ich müsste Fachliches erklären, aber das geht über das Fassungsvermögen dieses Interviews hinaus.

In den letzten 10 Jahren entstand eine 20teilige Dokumentation über den Kauka-Verlag für die Hethke-Sprechblase, 1999 gab es eine Zusammenarbeit mit dem Egmont Ehapa Verlag und 2003 übernahmen Sie im Auftrag der Kauka Promedia die redaktionelle Verantwortung für das Jubiläumsbuch "50 Jahre Rolf Kauka's Fix & Foxi". Zurzeit arbeiten Sie an verschiedene Neuauflagen Ihrer Comics beim Cross Cult-Verlag. Der Comic scheint Sie nicht in den Ruhestand zu entlassen …
 
Peter Wiechmann:  Am 29. Oktober 2009 jährte sich mein erstes Wiegenfest zum 70sten Mal. Ich mache mir deshalb Dampf, um noch alle Serien-Liegenschaftren mit eigenem Copyright (= z.B. DIETRICH VON BERN, MISTER MELONE, TEX&MEX, BENS BANDE)  bei guten Verlagen unter zu bringen. Sorgsam überarbeitet und alle mit neuem Text versehen.

Außerdem gab mir Frau Alexandra Kauka die Lizenz für ein großes Projekt mit dem Arbeitstitel TITANEN TRILOGIE. In einer dreibändigen Groß-Ausgabe möchte ich darin die besten meiner Kauka-Serien aus primo versammeln und in hervorragender Gestaltung samt redaktioneller Ausstattung präsentieren.

(…)  

Anmerkung der Redaktion: Daraus wurde dann das opulente und sehr beeindruckende Werk PRIMO PREMIUM.

Autor: Michael Hüster