Ausgehend von den Erinnerungen an seine Kindheit und der therapeutischen Aufarbeitung des Todes seiner Mutter, erzählt und philosophiert er mit jüdischem Hintergrund diverse Fragen des Lebens; bezugnehmend auf den Titel ist hierbei u.a. die Frage, ob Zeichnen gegen das 2. Gebot verstößt (Du sollst dir kein Bildnis machen).
Er beginnt mit den ältesten Erinnerungen, wie er als kaum Vierjähriger auf dem Topf sitzt und sich doch nur für eine Nudel in seinen Händen interessiert. Er wollte schon immer vorwiegend Zeichnen, Comic Zeichner ist sein Traumberuf. Nicht konkret chronologisch erzählt er vom steinigen Weg dahin. Dabei ist ihm jedoch jede noch so nebensächliche Kategorie der Steine in seinem Erzählstil wichtig. Es gibt Episoden mit Frauen, mit Dozenten, mit schon etablierten Comicgrößen, mit Verlegern, usw. Er nimmt Bezug zu Werken aus der Literatur, der Mythologie und immer wieder zu seiner jüdischen Erziehung, der er nicht gerade orthodox treu ist. Seine resolute Omi ist einerseits ein Teil eine Verfechterin resoluter Moral, andererseits auch eine anspornende Unterstützerin. Von Misserfolgen hinsichtlich vieler Bewerbungen bei Comicverlagen zwar gequält aber niemals entmutigt bis hin zu den Schwierigkeiten, den vorliegenden Band herauszubringen, breitet Sfar auch sein Seelenleben dem Leser wie einst seiner Therapeutin aus.
Joann Sfar gelingt es hierbei in großartiger Weise, all das mit pointiertem Humor oder absurden Kommentaren zu garnieren. Selbstironie und kindliche Freude am naiven Hinterfragen so mancher Tradition, vorwiegend der jüdischen, sind auf fast allen Seiten zu finden. Bedeutungsschwere Debatten mit Gesprächspartnern oder kurze Abschweifungen in die Fantasie seiner selbst haben deshalb die Leichtigkeit des Seins eines Humoristen seiner Qualität! Das Übergehen religiöser Vorschriften, wie z.B. die des koscheren Fleisches, wird hiermit zu einem verzeihlichen Lapsus ohne schlechtem Gewissen danach.
Die Zeichnungen sind in seinem typischen Stil. Sie wirken oberflächlich generell wie von einem wenig talentierten Zeichner, der zu realistischen Abbildungen kein Gefühl hat. Aber genau dieser „schräge“ und verwackelte Strich offeriert so manche Feinheit und differenzierte Facette dessen, was er kongenial zum Inhalt darstellen und aufzeigen möchte.
Eine bemerkenswert ehrliche, tiefgründige und diffizile Rückschau eines Künstlers, der den autobiografischen Grafischen Roman neu interpretierte, sowohl in erzählerischer, als auch in visueller Hinsicht. Sehr abwechslungsreich gezeichnet und mit Gedanken, Befindlichkeiten und Erkenntnissen des Bestsellerautors Sfar, gleichwohl als Kunstschaffender und Freigeist!
Der Götzendiener
Text und Zeichnungen: Joann Sfar
216 Seiten
avant-verlag
30,00 Euro
Autor: Rolf Pressburger