News - Rezensionen


02.03.2022
Splitter

Bartleby, der Schreiber

Bartleby, der Schreiber

Literaturliebhaber kennen Hermann Melville vorwiegend durch seinen Klassiker Moby Dick. Sehr beliebt ist aber auch eine Novelle, von der hier eine kongeniale Adaption in Comicform vorliegt.

Autor und Zeichner Munuera ist vor allem bekannt durch humorvolle Storys, zu denen sein Zeichenstil hervorragend passt.

Wer ist Bartleby? Ein flüchtiger Schatten? Der letzte freie Mensch? Ein unzustellbarer Brief an die bedauernswerte Menschheit? So lauten einige der letzten Fragen zu Ende der Geschichte. Und die Begebenheiten davor geben auch keine Antworten.

Bartleby ist der Neue in einem Büro für Schreibarbeiten in der Wall Street in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es gibt noch keine Kopiergeräte, so dass von vielen Dokumenten Abschriften angefertigt werde müssen, um mehrfache Kopien zu bekommen. Dies erledigt Bartleby zwar zu Zufriedenheit seines Arbeitgebers, er weigert sich jedoch beharrlich, andere kleine Verpflichtungen zu übernehmen. „Lieber nicht …“ wird zu eine Redewendung in seinem ablehnenden Widerstand. Das geht so weit, dass er sich weigert, überhaupt das Büro zu verlassen. Als letzten Ausweg nimmt sein Arbeitgeber in Kauf, die Geschäftsräume zu wechseln. Doch Bartleby bleibt.

Mehr geschieht eigentlich nicht in dieser Story, wenn man mal ergänzt, dass Bartleby schlussendlich im Gefängnis landet. Das Geschehen findet bedeutungsweise zwischen den Zeilen, den Szenen, statt, die sich zwar gleichen, weil es immer auf die Verneinung vom Schreiber hinausläuft, aber die Beharrlichkeit und die durchweg passive Haltung von ihm sind erstaunlich konsequent.

Bleibt noch die Frage des Verständnisses, einer Interpretation dieser kurzen Story. Das sollte der Leser selbst übernehmen. Als Hilfe bietet der Band eine kleine Anmerkung am Schluss. Auf zwei Seiten werden die verborgenen Facetten der Novelle ein wenig erhellt.

Die Zeichnungen sind kräftig in ihren Farben und Formen. Ganzseitige dargestellte Wolkenkratzer und umtriebige Straßenmomentaufnahmen wechseln sich ab mit kargen Innenansichten des Arbeitsbüros. Die Protagonisten sind ganz in bevorzugten Darstellungsschemata des Künstlers gezeichnet. Durch die überzeichnete Physiognomie und Anatomie einer Karikatur sehr nahe kommend. Hierbei ist auch die genial dargestellte Mimik und Körperhaltung zu bewundern, die Gefühlszustände und Charakter optimal treffen.
 

Ein im Grunde leicht zu lesender Comic, der allerdings mehr zu bieten hat, als eine oberflächliche Aufnahme seiner Handlung. Ein Literaturcomic mit Anspruch.

Bartleby der Schreiber
Text und Zeichnungen: José – Luis Munuera
72 Seiten
Splitter
18,00 Euro

Autor: Rolf Pressburger