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10.06.2024
All Verlag

Elise und die Partisanen

Elise und die Partisanen
Paris Anfang der 1970er Jahre. In einem Hochhaus explodiert was. Elise wird schwer verletzt. Freunde holen sie aus der Gefahrenzone und bringen sie in ein geheimes Versteck.

Sie hat am ganzen Körper Brandwunden. Doch das ist nur eine Episode ihrer Biografie. Sie erinnert sich an die „Algerienaffäre“ 1958 während sie studierte und an die Geschehnisse in den Jahren danach. Studentenunruhen nicht nur in Frankreich, Arbeitskampf, Gegenaktionen des Staates mit Gewaltausbrüchen auf beiden Seiten; Mao Tse Tung, Che Guevara und andere neue politische Narrative. Sie schreibt und singt Chansons, bekommt einen Plattenvertrag und lernt einen etablierten Kollegen kennen, der sie protegierte! Der Unfall brachte sie nicht von ihrem aufsässigen Leben ab. Sie unterstützt streikende Arbeiter in ihrem Klassenkampf, schreibt spezielle Kampflieder und trägt sie vor. Die Welt ist fast überall im Umbruch. Prager Frühling. Benzinknappheit. Schwarze amerikanische Athleten protestieren bei Olympia in Mexiko. Ein allgemeiner Aufstand gegen Etablierte, Bonzen, Mächtige, Politiker, und Rassismus. Das Lied „Die Internationale“ hat Hochkonjunktur. Sie und Genossen haben unaufhörlich Konflikte mit Polizei und Obrigkeit. Elise geht ganz für die Sache des Proletariats auf und vernachlässigte dabei zeitweise ihre eigentlichen künstlerischen Ambitionen.

Elise ist wohl das Alter Ego von Dominique Grange, die hier im vorliegenden Comic in gewisser Weise ihre Biografie erzählt.
Der Comic ist prall gefüllt mit Erlebnissen ihrer Jugendzeit und mit Ereignissen währenddessen. Die chronologisch aufgezählten politischen Umwälzungen haben einen wichtigen historischen Hintergrund; sie zeichnen vorwiegend ein Bild der damaligen Verhältnisse im Frankreich der 196Oer und 1970er Jahre.
Ihr Ehemann Tardi setzte diese Rückschau in die von ihm wohlbekannten markanten Bilderfolgen um. Sein Stil ist auch hier unverkennbar; karikaturartig unterlässt er die fein ziselierte Ausarbeitung seiner Darstellungen, ohne jedoch auf wichtige Details zu verzichten. Sie wirken dabei wie in schnellem Strich aber sehr gekonnt zu Papier gebracht! Grautöne ersetzen die Kolorierung.

Interessant sind hier auf jeden Fall die politischen und gesellschaftlichen Stürme jener Zeit. Hauptsächlich die Jugend ist wie so oft für Revolutionen zuständig, die gegen bestehendes Unrecht und gegen pervertierte Gewalt von „oben herab“ aufbegehrt, neuen Idealen anhängt und andere Zustände fordert und dafür auch auf die Straße geht, um in die Köpfe der Bevölkerung und der Herrschenden zu kommen. Vor allem junge Künstlerinnen und Künstler schließen sich der Sache an.
Für Geschichtsinteressiert sind dafür jede Menge Eckdaten und kurze Informationen mit gezeichnetem beispielhaftem Bildmaterial zu entdecken. Hierbei greift Tardi auch auf symbolhafte Ereignisse und Bildfragmente der Weltgeschichte zurück.                                                                 
Eine politische Graphic Novel, die sehr unterhaltend anhand der Erinnerungen einer jungen rebellischen Sängerin mit politischem Ambitionen Zeitgeschichte erzählt!

Elise und die Partisanen
Text: Dominique Grange, Zeichnungen: Tardi
180 Seiten
All Verlag
29,90 Euro

Autor: Rolf Pressburger