Beim Sohn des berühmten Comiczeichners Tomislav Brandt, Radovan Brand, steht überraschend eine eigentlich fiktive Figur vor der Tür. Radovan ist der Ich-Erzähler, der aus seiner Warte diese Geschichte dem Leser vorsetzt. Träumt Radovan?
Andere Episode: Auf einem Comic Event ist das Highlight nicht der Schöpfer einer der bekanntes-ten und beliebtesten Comic-Helden, sondern die eigentlich fiktive Figur selbst: Texas Kid in Per-sona! Der ist versiert im Schießen und kann reiten wie der Teufel; und überhaupt ist er ein Abbild des idealsten Western-Helden, den man sich vorstellen kann. Ein bislang vollkommen unbekannter Protagonist im Kostüm dieses Comic-Helden? Vielleicht vom Zirkus und vom Comic-Künstler mit Tomislav selbst engagiert und instruiert? Ein gut vorbereiteter Schauspieler? Tomislav Brand ist Teil der Show, Kompagnon bei den Kunststückchen, die Texas Kid vorführt.
Eigentlich ist die Geschichte des vorliegenden Comics ein familiäres Drama. In seiner Kindheit zeigte sich schon eine boshafte und empathielose Persönlichkeit in Tomislav. Die Zeiten waren hart, seine Erlebnisse traumatisch und sie hinterließen wohl dementsprechende Spuren in seiner Seele. Sein Sohn Radovan fühlt sich sei je her eher nicht von seinem Vater geliebt. Der scheint seine Co-mic-Schöpfung als Sohn zu bevorzugen, den Radovan hasst! Frau und Kind entbehrten so von je her einen fürsorgenden Vater. Der Cowboy war schon immer ein Rivale um die Gunst des Vaters! Sein Hass auf den Nebenbuhler eskaliert, als Radovan seine Freundin mit dem Western-Helden im Bett überrascht!
Doch was hat es wirklich auf sich mit diesem zunächst perfekten "Bruder" mit Cowboyhut, der ei-nes Tages vor Radovans Tür steht? Eine Projektion, Paranoia, eine Schmierenkomödie ... ?
Mit einer ungewöhnlichen Erzählweise auf verschiedenen Ebenen, mit unvorhergesehenen Zeit-sprüngen und sehr abwechslungsreichen Zeichnungen ist der Comic lange Zeit ein hochinteressantes Rätsel! Die einfarbig dargestellten Seiten brechen mit konventionellen Panelaufteilungen und bieten u.a. teil extreme grafische Perspektiven. Eine Episode folgt auf die andere und bis zum Schluss bleibt das zusammenhängende Verständnis vage.
Eine anspruchsvolle Story, die der Comic-Schaffenden von einer Kurzgeschichte adaptiert hat und in einem beeindruckenden Zeichenstil nacherzählte. Nicht einfach zu lesen, aber spannend, action-haltig, und teils mit krasser Gewaltdarstellungen; dabei unterhaltsam, auch weil im Finale weitere Fantasieschöpfungen mit spielen.
Texas Kid, mein Bruder
Text und Zeichnungen: Igor Kodeij
224 Seiten
avant-verlag
26,00 Euro
Autor: Rolf Pressburger