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28.12.2023
CroCu

Der magische Fisch

Der magische Fisch
Der Junge Tien und seine Eltern kamen aus Vietnam nach Amerika. In ihren Erinnerungen sind noch die Tage ihrer Heimat lebendig. Sie lesen sich gern Geschichten vor.

Eine davon geht so:
Das Mädchen Alera wohnt bei ihrer Tante. Ihre Mutter ist eine Meeresprinzessin; weil ihr Vater ein Versprechen gebrochen hatte, musste sie zurück ins Meer. Am Vorarbeit von Aleras 17. Geburtstag flüstert ein Fisch der Tante zu, dass der König des Nebels Schulden beim Vater eintreiben will. Bezahlt er nicht, holt er entweder die Erstgeborene oder frisst den Vater, der Händler ist, auf. Der Herr des Nebels möchte Alera heiraten. Sie stimmt zu, wenn drei Bedingungen erfüllt sind: Sie möchte drei außergewöhnliche Kleider! Der Herr der Nebel liefert. Auch die Tante gibt ihr drei magische Gegenstände mit, die ihr in gewissen Situationen helfen können. Das Mädchen macht sich auf die Reise und unterwegs hat sie märchenhafte Begegnungen. Ein Schloss, in der sie den Bewohnern hilft, z.B. kochen zu lernen. Dort trifft sie auch den feschen Prinz Maxwell, der gern möchte, dass sie bleibt. Doch sie kann nicht.
Das zweite im Buch enthaltene Märchen: Tam muss für ihre Stiefmutter die Drecksarbeit machen und bekommt anstatt Lob nur Kritik. Sie freundet sich mit einem Fisch im Brunnen an. Diese Freundschaft macht sie glücklich. Es gefällt der Schwiegermutter gar nicht, sie so zu sehen! Sie tut gegenüber Tam übertrieben freundlich – aber das, was Tam daraufhin erfährt, schockiert sie!
Das dritte Märchen: Am Grund des Ozeans lebte ein König mit sechs hübschen Töchtern. Die Jüngste wagte es, an die Oberfläche zu schwimmen und das Schicksal der Menschen zu sehen, in das sie sich unverhofft auch sogleich verfängt.

Die Handlung dieser Graphic Novel weist drei Erzählebenen auf: Die Gegenwart von Tien, die Vergangenheit der Eltern in Vietnam und die Märchen. Alle drei sind kunstvoll miteinander verwoben, so dass als Fazit eine durchaus schlüssige Allegorie auf das Leben im Allgemeinen und auf diverse persönlich zu bewältigenden Lebensaufgaben extrahiert werden kann.
Die drei Ebenen werden zwar durch jeweils unterschiedliche Einfärbungen der Panels herausgestellt; doch es ist meiner Ansicht nach fraglich, ob Kinder diese anspruchsvollen Verwicklungen nachvollziehen können. Denn sie sind ohne weitere Hinweise plötzlich im Erzählrhythmus vorhanden. Nichtsdestotrotz sind zumindest die Episoden der Geschichten in typischen Märchenbildern und Metaphern erzählt. Prinzessinnen, Prinzen, böse Schwiegermütter und ein sprechendes Tier. Parallelen zu bekannten Märchen sind gewollt und erkennbar.

Die Zeichnungen sind zwar durchaus schön, mit Schnörkel und klarem Strich. Jedoch arm an Details und Hintergründen.  Der Künstler konzentrierte sich auf Eingängigkeit in der zeichnerischen Darstellung. Der Gesamteindruck ist somit übersichtlich und zeigt jeweils das Wesentliche einer Darstellung.

Ein magisch-märchenhafte verschachtelte Geschichte. Im Vordergrund die Bemühungen von Tien, einerseits gewissen Erwartungen gerecht zu werden, andererseits seine eigene Identität angemessen zu vertreten. Ich meine, kein Comic für alle Altersgruppen, aber für Jugendliche und Erwachsene ansprechende Unterhaltung mit Tiefgang!

Der magische Fisch
Text und Zeichnungen: Trung Le Nguyen
256 Seiten
CROCU

Autor: Rolf Pressburger