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06.04.2018
Splitter

Dr. Watson

Dr. Watson

Aus dem Universum von Sherlock Holmes in der Comic-Interpretation liegt hier eine Geschichte von Dr. Watson vor, Sherlocks einzigem Freund und Partner.

Das Verschwinden seines Freundes nach den Geschehnissen beim Reichenbachfall kann Watson nicht so ohne Weiteres akzeptieren und aushalten. Er ist von dessen Ableben in keinster Weise überzeugt. Zwar übernimmt er ganz im Sinne des Detektivs zunächst einen mysteriösen Fall von Geisterfotografien, zwar widerwillig, doch mit den Schlussfolgerung, das da ein Betrug dahinter stecken muss! Ihm wird bezüglich seiner Trauer um Sherlock ein Medium empfohlen, das ihm bei einer Seance tatsächlich eine Vision von seinem Freund ermöglicht. Das sollte doch Beweis genug sein, dass der große Kriminalist tot ist! Scheinbar verwirrt ihn diese Erkenntnis noch mehr und er geht weiter seinem Suchen nach Wahrheit nach. Er versucht mit Hilfe von Kommissar Lestrade der Sache näher zu kommen und findet sich eines Tages in einer seltsam anmutenden Runde von geistig weggetretenen, weiß gekleideten Sikhs. Die sitzen meditierend in einem Kreis um einen Sarg mit Sherlocks Leiche, dem damit die Trennung von Körper und Geist verwehrt werden soll, so dass er im Limbus festgehalten wird.

Sonderbar genug! Aber die Geschichte wechselt zudem sehr häufig noch die Schauplätze und die Zeit. Der Leser sieht Watson völlig abgemagert in einem Verlies, wirres Zeug sinnierend, oder in einer längeren Sequenz inmitten von Kriegswirren, elf Jahre zuvor. Doch dies alles hat einen versteckten Sinn, den auch der Leser erst zum Schluss der abgeschlossenen Doppelfolge erkennt. Denn die Geschichte sehr sehr komplex aufgebaut, mit verschiedenen Handlungs- Sinn- und Wahrnehmungsebenen, auf Seiten von Watson. Neben seiner fanatischen Suche nach dem Beweis seiner Vermutung, Sherlock sei noch am Leben, während alle anderen in seinem Umfeld sogar auf die drastische Behauptung pochen, der hätte nie existiert, verstärkt sich natürlich in ihm der Verdacht eines Komplotts. Diese Entwicklung ist in diesem Comic anspruchsvoll erzählt. Keine geradlinige Handlung, dafür abrupte Szenenwechsel und dazwischen immer wieder feine Hinweise, was sich wirklich abspielt. Die Zeichnungen sind in feinem Strich, mit relativ kleinen, manchmal mit größeren Bildausschnitten, so dass eine atmosphärisch sehr kompakte Bilderabfolge entsteht. Wieder ein Krimi im London zu Ende des 19. Jahrhunderts, in dessen Schauertradition so mancher Klassiker entstand. Er ist spannend geschrieben, und wie erwähnt, äußerst rätselhaft konzipiert; hat verschiedene Schauplätze und scheinbar unwichtige Nebenhandlungen. Hier möchte ich nur den Tip „Shutter Island“ einfügen, den Film mit Leonardo Di Caprio, denn in der Story wird ein ähnliches Prinzip verfolgt. Klasse Psychothriller, in dem Sherlock Holmes in Persona zwar nicht mitspielt, aber trotzdem einen wichtigen Aspekt beisteuert!

Dr. Watson
Text: Stèphane Betbeder, Zeichnungen: Darko Perovic
96 Seiten
Splitter
19,80 Euro

Autor: Rolf Pressburger