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09.12.2020
comicplus+

Evropa

Evropa

Der slowenische Autor und Zeichner hat diesen Comic in Anlehnung an die Geschehnisse anno 1999 in Serbien, kurz nach dem Kosovo-Krieg, gestaltet. Eher ein Roadmovie mit Thrillerelementen als eine politisch motivierte Story.

Kaum in Europa angekommen, müssen „Der Dicke“ und Zile, der junge Serbe, auch schon vor der Polizei in Italien  fliehen. Denn unvermittelt wird ihre Ware, Kokain, in ihrem Auto entdeckt. Sie schlagen sich mit Tricks und einem geklauten Auto nach Paris durch, wo sie ihren Kontaktmann suchen. Doch auch da gibt es Komplikationen und mit einem weiteren gekaperten Auto fahren sie nach Deutschland zu Ziles Onkel Milo. Der ist nicht amüsiert, denn das Kokain war seines. Hier geraten die beiden in das Milieu ärgster Krimineller. Frauen verachtende, intrigante und alle Gesetze brechende Gestalten allenthalben. Trotzdem verliebt sich Zile in eine Hure und will mit ihr nach Schweden fliehen. Derweil fühlt sich der Dicke zunehmend seines Lebens bedroht. Und auch Zile hegt Misstrauen, was seinen Onkel betrifft.

Zile ist eigentlich ein aller Illusionen beraubter junge Mann, der aus dem Balkankrieg schlimmste Erinnerungen mit sich herumträgt. Ein Hallodri und eher ein naiver und ungebildeter Typ. Er tut sich schwer mit der Kultur des freien Europas und lästert schnoddrig über Gewohnheiten und Geschmack. Im Grunde seiner Seele kotzen ihn Machenschaften wie die seines Onkels an. Er ist ein den humanen Wurzeln entrissener Getriebener. Eine tragische Figur und ein Produkt seiner Erfahrungen in seiner Heimat, die sich doch nur nach einem geregelten Leben und Geborgenheit sehnt. Einerseits von Europa enttäuscht, andererseits zuhause allen Träumen beraubt. Die politischen Hintergründe werden im Laufe der Handlung kaum aufgezeigt, nur ein paar Albträume von Zile weisen auf Schreckliches hin. Erst ganz zum Schluss geht Lavric konkret auf einige Fakten ein, wenngleich auch hier nur in Form von Erinnerungen einiger Protagonisten. Es ist eine Geschichte ohne greifbarem Happy End.

Die Zeichnungen sind zwar ein wenig grob, ohne jedoch ungenau zu sein. Die Gesichter haben Charakter und die Hintergründe sind wirklichkeitsgetreu. Lavric verstand es gut, den zerrissenen Charakter von Zile darzustellen. Es gibt genug spannende Episoden und tragische Momente. Auch die romantische Beweggründe einiger Personen sind passend integriert. Teilweise mit unflätigen Dialogen und Gewaltdarstellungen, die aber nicht der plakativen Vordergründigkeit dienen, sondern dieser realistischen Erzählung gut zu Gesicht stehen. Sie ist interessant, weil sie so ganz nebenbei auch einen gewissen Kulturvergleich anbietet. Hierin sind die abseitigen kriminellen und verbrecherischen Strukturen jedoch überall gleich. Der Anhang gibt dem Leser ein wenig konkretere Informationen zu dieser Ära und zum Künstler.

Ein flüssig zu lesender und unterhaltsamer Comic über einen tragischen Loser. Kompetent erzählt und gezeichnet. Sehr gut!

Evropa
Text und Zeichnungen: Tomaz Lavric
160 Seiten
comicplus+
39,00 Euro

Autor: Rolf Pressburger