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11.02.2022
Splitter

Contrapaso - Die Kinder der anderen

Contrapaso - Die Kinder der anderen

Die hierzulande noch nicht in Erscheinung getretene junge Comickünstlerin Theresa Valero legt hier eine Geschichte vor, die im Winter des Jahres 1956 spielt: Der erfahrene Sanz ist störrisch, aber ein guter Journalist.

Er bekommt den jungen Franzosen Leòn Lenoir zur Seite gestellt. Leon lebte zuvor in Paris, hier in Madrid findet er eine vorläufige Unterkunft im Haus seines Onkels. Er bezieht das Zimmer seiner Cousine, die vom Onkel tot geschwiegen wird, als er nach ihr fragt. In seinem ersten Fall geht er mit Sanz gleich einem mysteriösen Mord nach. Eine Leiche wurde aus dem Fluss gefischt, Todesursache wohl ein Herzinfarkt. Die investigativen Reporter folgen einer Spur, die zu einem Arzt führt, der eine Obsession für körperliche Missbildung hat. Die beste Freundin der Frau aus dem Fluss hat auch eine. Es geschehen weitere Morde …

In Spanien ist immer noch General Franco an der Macht, mit ihm seine Repressalien auf Journalisten, die die Wahrheit schreiben. Laut Sanz kommt sie sowieso nicht aus den Mündern, man müsse sie suchen. Die Nachkriegsära in Spanien ist geprägt vom Aufbau und einer Suche nach Normalität und Entspannung, wie überall in Europa. Vor allem die Behandlung von psychisch kranken Frauen in speziellen Einrichtungen interessiert die Ermittler; dabei stoßen sie auf obskure Methoden, die eigentlich nicht mehr auf der Tagesordnung sollten, auf eigenartige Mitarbeiter und verstockte Personen, die befragt werden. In einer Nebenhandlung entdeckt Leòn, dass seine geliebte Cousine nahe an seinem Arbeitsplatz arbeitet. Allerdings ist sie nicht erfreut über seinen Besuch und sie wehrt schon präventiv seine Avancen mürrisch ab, die er zu wiederholen trachtet.

Die Zeichnungen sind mit sicherem Strich aufs Papier gebracht. Das Ambiente dieser Zeit ist in zeitgenössischen Ansichten hervorragend dargestellt. Verkehrsmittel, Hinterhöfe, prall verhangen mit frischer Wäsche auf der Leine, Kneipen und medizinisches Inventar - alles wunderschön anzuschauen. Die markante Stil der Zeichnerin wirkt kräftig und detailliert zugleich. Die Farbe unterstützt mit ihren hellen, nicht zu kräftigen Nuancen den lockeren, lebendigen Eindruck.

Die Graphic Novel punktet mit einer stimmigen Mischung aus privaten und gesellschaftlichen Aspekten. Der Aufbau und die Spannungsbögen sorgfältig vorbereitet. Irgendein Geheimnis lauert nach jeder kleinen Erklärung doch noch im Hintergrund. Die Charaktere sind zum Großteil durchgezeichnet, persönliche Hintergründe erklären Beweggründe und offenbaren Facetten des Privaten. Interessant auch die Verwicklungen von Politik und klinischen Experimenten.

Eine unterhaltende Geschichte vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Neuorientierung im Spanien Mitte der 1950ger Jahre. Ein Krimi und ein Sittenroman, ein Drama und eine Tätersuche, die an mysteriöse Grenzen stößt. Ein toller Comic, der zwar anspruchsvoll, aber nicht kompliziert zu lesen ist.

Contrapaso – Die Kinder der anderen
Text und Zeichnungen: Theresa Valero
144 Seiten
Splitter
25,00 Euro

Autor: Rolf Pressburger