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02.01.2023
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DIE FLÜGEL DER KUNST + DEUTSCHE COMICFORSCHUNG 2023 + Kurzinterview mit Eckart Sackmann

DIE FLÜGEL DER KUNST + DEUTSCHE COMICFORSCHUNG 2023 +  Kurzinterview mit Eckart Sackmann

Makyo/Frédéric Richaud/Michel Faure: DIE FLÜGEL DER KUNST

DIE FLÜGEL DER KUNST wurde wieder von Michel Faure (SAMSARA) gezeichnet, diesmal aber in dem Stil, den er bei ZEHN GEBOTE hatte. Makyo (DIE REISE ANS ENDE DER WELT) und der bei uns noch unbekannte Frédéric Richaud haben den Comic vor knapp 20 Jahren geschrieben.
Polen 1922. Es geht um den jungen Maler Fryderyk Cyprian, der sich von einem Duell ins nächste stürzt. Er ist des Lebens überdrüssig, seit er die Frau seines Lebens gesehen – und gleich wieder aus den Augen verloren hat. Natürlich begegnet er ihr irgendwann wieder, unter abenteuerlichen Umständen. Danach überschlagen sich die Ereignisse, was auch damit zusammenhängt, dass Polen eine Zeit des Umbruchs erlebt. Fryderyk wird als Revolutionär verhaftet und kurz vor der Erschießung wunderbar gerettet. Damit ist er noch lange nicht aus dem Schneider.
DIE FLÜGEL DER KUNST ist ein vielschichtiger Comic: Es geht um Kunst, um Liebe, um die große Politik und um anderes mehr (die eigenartigen Beziehungen zwischen ganz unterschiedlichen Menschen). Man weiß nie, was noch kommt, und zum Schluss kommt alles ganz anders. Wie im richtigen Leben.

DEUTSCHE COMICFORSCHUNG 2023

Das wissenschaftlich fundierte und reich illustrierte Standardwerk zur deutschen Comicgeschichte erscheint mittlerweile im 19. Jahr. Diesmal mit folgenden Beiträgen: "Von der armen kleinen Cousine" (1845), Frisch gekirnt: "Blauband-Woche" und "Fermetsa-Kurier". Walter Hofmann: "Das schwarze Korps" und allerlei Bilderstreifen, Leo Heilbrunns "Felix"-Werbecomic für Alpa, "Canterbumm" und anderes von C&A, der Nazi-Zeichner Erik mit "Tipp und Tapp", „Spätes Erwachen: SA-Mann Hirnebrett", Joachim Nusser: Felix der Kater bei den Jungen Pionieren, Jan P. Schniebel: Ein roter Fuchs und anderes Getier, Die Geschichte von "ZACK" 1970-1972, Der Hamburger Jahr Verlag und der Hitler-Comic von 1978.

Kurzinterview mit Eckart Sackmann:

PPM: Der gerade erschienene Comicroman DIE FLÜGEL DER KUNST spielt in Polen …

ES: Ja, DIE FLÜGEL DER KUNST handelt im Warschau des Jahres 1922. Das war eine wilde Zeit. Polen war nach dem Ersten Weltkrieg gerade als Staat wiedererstanden und hatte nichts Besseres zu tun, als sofort mit den Russen einen Krieg anzufangen. Im Ergebnis bekamen sie Landgewinn im Osten zugesprochen, was es aber mit sich brachte, dass die Polen in Polen kaum noch die Mehrheit hatten. Es kriselte an allen Ecken und Enden. In diese Zeit betten die Autoren Makyo und Richaud eine Liebesgeschichte ein, die den Leser in die Gedankenwelt der Malerei entführt. Den Autoren gelingt eine sehr kunstvoll verschlungene Handlung, die einen immer wieder überrascht.

PPM: Die Situation in Polen erinnert sehr stark an die Zeit der Weimarer Republik. Da waren Chaos und politische Morde ja auch an der Tagesordnung.
ES: Ja, aber Polen hatte nach dem Ersten Weltkrieg einen „starken Mann“, Jozef Pilzudski, der es trotz mancher Niederlage verstand, die Zügel bis in die 30er Jahre fest zu halten, indem er die ukrainischen und weißrussischen Ambitionen unterdrückte. 1939, nach dem Einmarsch der deutschen Armee, ging der Staat Polen dann erneut verloren, aber das ist eine andere Geschichte.

PPM: Der Zeichner ist wie in SAMSARA Michel Faure?
ES: Diesmal aber nicht im Stil der direkten Farbe. Er zeichnet hier so wie in ZEHN GEBOTE oder wie in DER SOHN DES ADLERS. Das gibt ihm Gelegenheit zu sehr schönen Porträts, besonders dem der Hauptfigur Eliza. Die ist zum Verlieben schön!

PPM: Die wichtigsten Figuren sind Fryderyk, Eliza und Adam. Sie bilden eine Dreiecksbeziehung, die letztlich zerstörerisch wirkt. Eliza ist hin- und hergerissen. Einerseits will sie loyal zu ihrem Mann Adam stehen, andererseits fühlt sie sich auch zu Fryderik hingezogen, der unsterblich in sie verliebt ist.

ES: Jeder, der Eliza sieht, ist ihr verfallen. Das gilt auch für Fryderyks Freund Mikolai. Um ein Haar hätte das die Freundschaft ruiniert, aber die politischen Umstände sind dem zuvorgekommen.
Ich möchte aber noch auf ein anderes Thema hinweisen: die Kunst. Sie spielt in diesem Comic eine entscheidende Rolle. Ich habe in diesem Sommer in München eine großartige Ausstellung über die polnische Kunst vom Anfang des Jahrhunderts genießen können, und das hat mich „beflügelt“, nach Polen zu fahren und mir noch mehr dazu anzusehen. Es ist immer wieder ein gutes Gefühl, in die Belange eines unserer Comics einzutauchen. Ich habe schon sehr viel dadurch gelernt. Ein guter Comic will nicht nur unterhalten, sondern auch ein Lebensgefühl vermitteln. Das ist den Autoren hier gut gelungen.

PPM: Am Ende, dass für die Leser offenbleibt, macht Eliza ihr eigenes Ding, während Adam und Fryderik einen Weg suchen, den Konflikt zu lösen. Adam: „Einer von uns beiden muss verschwinden…!“
ES: Die Lösungsmethode ist allerdings ungewöhnlich, so wie manches in der Geschichte.

PPM: Noch ein Wort zur neuesten Ausgabe der Comicforschung? Nun liegt bereits die 19. Ausgabe vor. Sehr erfreulich, dass du trotz hoher Kosten weiterhin an der Reihe festhältst. Unter anderem gibt es auch einen Beitrag über das Koralle-Zack-Magazin, den ich natürlich sehr interessiert gelesen habe!
ES: Ich habe vor gut 20 Jahren meine Doktorarbeit über ZACK schreiben wollen. Das ist damals gescheitert, weil der Doktorvater plötzlich sehr eigenartig wurde. Ich habe jetzt meine Unterlagen wiedergefunden, die Akten, die ich damals im Springer-Archiv kopieren durfte, Und ich hätte es schade gefunden, wenn die bei mir im Regal versauert wären. Sie erzählen die Entwicklung vor 1972, bevor ZACK in die Läden kam.
Interessanter ist aber vielleicht der Artikel zum Hitler-Comic von Matthias Schultheiss. Durch einen Zufall bin ich an den Text und die Kolorierung des Albums gekommen. Nicht einmal Matthias Schultheiss weiß, wie das Endergebnis ausgesehen hätte. Ich habe dann recherchiert und bin auf die Methoden des Verlags John Jahr gestoßen, mit Nazithemen Geld zu machen. Sehr spannend!

PPM: Kannst du schon einen Ausblick auf die Veröffentlichungen 2023 geben?
ES: Tut mir leid, nein. Geplant ist ein weiterer Comicroman und zum Ende des Jahres wieder ein Band von DEUTSCHE COMICFORSCHUNG. Der ist jetzt schon wieder randvoll mit neuen Entdeckungen.

PPM: Vielen Dank!
 
Comicplus+ - Neuheiten:

  • Makyo/Frédéric Richaud/Michel Faure: DIE FLÜGEL DER KUNST, 160 Seiten, Farbe
  • DEUTSCHE COMICFORSCHUNG 2023, Band 19, 144 Seiten

Autor: Michael Hüster