Wie kürzlich berichtet, wurden im Rahmen der German Comic Con Dortmund in insgesamt 30 Kategorien die besten Werke und Künstler 2017 mit dem Rudolph Dirks Award für grafische Literatur ausgezeichnet.
Der große Abräumer des Rudolph Dirks Award für grafische Literatur war die Comic-Serie Gung Ho der beiden deutschen Comic-Künstler Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant. Für die Serie, die bei Cross Cult erscheint und bereits beim 3. Album angekommen ist, gab es den Rudolph Dirks Award in den beiden Kategorien "SciFi/Alternative Geschichte" und "Action/Abenteuer". Außerdem gewannen die beiden Künstler die individuellen Preise für "Deutschand – Bestes Szenario" und "Deutschland – Beste Zeichnungen".
Gung Ho, ein Genre-Mischling aus Teenager-Drama und Action-Survival-Story ist nach Goethe Band 2 und der Adaption von Wolfgang Hohlbeins Die Chronik der Unsterblichen die dritte Koproduktion der Bajuwaren, die für ihr Comicschaffen im In- und Ausland bereits mehrfach ausgezeichnet wurden. Das Kernthema des auf fünf Bände angelegten Projekts ist das Erwachsenwerden in einer Gesellschaft, deren Regeln man nicht mitentwickelt hat. Es geht um die destruktiven Kräfte der Jugend, aber auch um ihr Potenzial zur Erneuerung der Gesellschaft. Gung Ho erscheint in Deutschland bei Cross Cult.
PPM stellte den beiden Künstlern vor einiger Zeit Fragen rund um GUNG HO.
PPM: Zunächst mal ist da der Titel eurer Comic-Serie, die neugierig macht: Gung Ho!
Was bedeutet das?
Benjamin von Eckartsberg: Gung Ho ist ein aus dem Chinesischen abgeleiteter Amerikanismus und bedeutet soviel wie „motiviert, engagiert“ und „in Harmonie zusammenarbeiten“. Mit der Zeit hat er verschiedene Bedeutungen erlangt, z.B. wurde er im 2. Weltkrieg von den Marines als Kampfschrei verwendet, in dem Sinn, dass alle sich einer einzigen Idee verschreiben und darauf hinarbeiten, sozusagen ein Slang-Ausdruck für den richtigen Kampfgeist. Der Begriff hat sich daraufhin in den USA verbreitet und weiterentwickelt.
In unserem Comic steht er zum einen für die Interpretation der Erwachsenen in der Siedlung Fort Apache. Sie verlangen von den Kids, dass sie im Sinne der Gemeinschaft motiviert und engagiert sind und die Regeln befolgen, welche aufgestellt wurden, um in der Gefahrenzone
zu überleben. Zum anderen steht er für die Interpretation der Jugendlichen. Auch sie meinen damit motiviert und engagiert, aber mit deutlich weniger konstruktiver Zielsetzung, ohne Verantwortung. Eher so was wie „Wir machen was wir wollen, aber das mit Verve
und ohne Rücksicht auf Verluste“.
PPM: Wann entstand die Idee zu GUNG HO?
BvE: Die Grundidee hatte ich schon 2005 und habe Thomy davon erzählt. Sie hat ihm gefallen, und es war bald klar, das Gung Ho unser nächstes gemeinsames Projekt nach der Chronik der Unsterblichen werden könnte. Doch erst einmal musste Thomy noch Chronik 2 fertigstellen, als die Finanzierung nach vielen Jahren endlich gesichert war, weil Paquet die Rechte an der Comiclizenz von Ehapa übernommen hatte. Auf dem Comicfest München 2011 fragte uns unser Verleger Pierre Paquet schließlich, was wir als nächstes machen wollen. Wir haben ihm Gung Ho gepitcht, und er gab uns grünes Licht. Das war für uns ein sehr schöner Moment.
PPM: Wie entstand das Szenario zu Gung Ho? War das so eine Art gemeinsames Brainstorming oder wer hatte die Ursprungsidee?
BvE: Die Ursprungsidee hatte ich 2005. Ich sah die Welt von Gung Ho, die Organisation der Siedlung und bestimmte Situationen klar vor mir und habe sie schnell in Stichpunkten niedergeschrieben. Das hat sich dann gesetzt und eine Weile gegärt.
TvK: Bei einer gemeinsamen Signierreise in Frankreich 2006 hat Benjamin mir das erste
mal von Gung Ho erzählt und mir eine mögliche Einstiegsszene geschildert. Die hat mir so gut gefallen, dass ich ihn immer wieder ermutigt habe, Gung Ho zu schreiben. Allerdings taucht diese Szene in der fertigen Story nicht mehr auf. Wir haben dann immer
wieder mal darüber gesprochen und Brainstorming gemacht, während ich an Chronik 2 gearbeitet habe.
BvE: Was ich aber zu dem Zeitpunkt noch überhaupt nicht fix hatte, waren die Charaktere und der Plot. Nach dem Go von Paquet habe ich mich dann im Sommer 2011 hingesetzt und die gesamte Geschichte am Stück entwickelt und geschrieben. Das hat etwa 10 Monate gedauert. Da ist ein Traum für mich wahr geworden. Dass ich mich ohne Ablenkung ein knappes Jahr hauptberuflich nur aufs Schreiben konzentrieren konnte, empfinde ich als
enormes Privileg, und es war für mich eine wichtige Erfahrung. Die Dialogszenarios für alle fünf Teile sind also schon fertig gewesen, bevor Thomy sich ans Werk gemacht hat. Gung Ho ist ja nun etwas völlig anderes als die Themen, an denen ihr im Comic-Bereich bisher gearbeitet habt.
PPM: Was hat euch zu diesem, wie Benjamin es genannt hat „Genre-Mischling aus Teenager-Drama und Action-Survival-Story“ inspiriert?
BvE: Im Sommer 2005 habe ich eines Morgens beim Kaffee einen Illustrations-Bildband durchgeblättert. In dem Buch war eine Werbeillustration für eine Autofirma abgebildet. So eine Art werbliches Wimmelbild. Da war unter anderem ein gelber Grashügel mit einer
Ampel obendrauf – ohne Straße oder so. Ein Überrest von Zivilisation in der Wildnis. Das hat Sachen, die sich in meinem Gehirn angesammelt hatten, getriggert. Ich habe mir vorgestellt, dass da Jugendliche drum herum sitzen, flirten, trinken und rauchen – dort aber gar nicht
sein dürfen, weil sie aus ihrer befestigten Siedlung ausgebüxt sind. Die Teenager tragen Waffen und haben Wachen abgestellt, welche die Umgebung beobachten. Denn sie befinden sich dort in der Gefahrenzone, in der jeder Zeit gefährliche Bestien auftauchen könnten. Spannend an diesem Bild fand ich, dass die Teenager Verantwortung tragen müssen, die in unserer Gesellschaft den Erwachsenen und bestimmten Institutionen mit exekutiver Gewalt vorbehalten sind, gleichzeitig aber ihre Teenager-Bedürfnisse ausleben wollen. Da ist reichlich Konfliktstoff vorhanden, zwischen den Menschen und den Bestien, zwischen den Jugendlichen untereinander und zwischen ihnen und den Erwachsenen.
TvK: Während der Zeit, in der Benjamin Gung Ho geschrieben hat, war meine große Tochter voll in der Pubertät. Wir haben uns damals viel über die Problematiken und Dynamiken in diesem wunderbar furchtbaren Alter unterhalten. Bei mir hat Benjamin mit Gung Ho also zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Nerv getroffen.
PPM: Ungewöhnlich ist der Weg, auf dem eure Serie nach Deutschland kam. Zunächst startete Gung Ho bei Paquet, um dann mit Cross Cult einen deutschen Verleger zu finden. Erzählt mal, wie es zu dem Ablauf kam.
BvE: Da wir das Projekt direkt für Paquet machen, verkauft Paquet die Lizenzen ins Ausland, auch nach Deutschland. Noch bevor wir Gung Ho #1 fertig und irgendwem angeboten hatten, fragten Carlsen, Ehapa und Cross Cult an, was uns natürlich sehr gefreut hat. Die Wahl fiel uns schwer. Schließlich haben wir uns für Cross Cult entschieden.
GUNG HO bei PPM
Leseproben:
Gung-Ho 1
Gung-Ho 2
Gung-Ho 3
Trailer
Autor: Michael Hüster