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23.08.2021
avant

Im Auge des Zyklons

Im Auge des Zyklons

Hier liegt eine weit ausladende Graphic Novel vor, die sich im Australien zu Beginn und während des 2. Weltkrieges abspielt.

Anhand von etlichen Protagonisten erzählt Autor und Zeichner Mutard von den alltäglichen Problemen dieser schwierigen Zeit, in der Flüchtlinge aus Europa eingebürgert werden und sich politische Entwicklung von Deutschland aus bis ins Land Down Under ausbreiten.

Die Familie Wells ringt mit den Unsicherheiten, die um sich greifen. Die Mutter ist in Sorge um ihren Sohn. Während der eine in den Krieg geflogen wird, soll der andere sich mehr mit Solidarität und dem kommunistischen Widerstand gegen Krieg und Kapitalismus auseinander setzen. In nächster Umgebung hat sich eine jüdische Familie eingelebt. Die vorlaute minderjährige Tochter ist alles andere als unterwürfig und provoziert nicht nur ältere Männer.

Die Geschichte spannt sich von Januar 1939 bis August 1943. In mehreren Kapiteln unterteilt, die auch diese Zeitabschnitte dokumentieren.


Während in der ersten beiden Kapiteln enorm viel politisiert wird, das in vielen Dialogen aufgezeigt wird, gehen die weiteren Kapitel mehr in die persönlichen Schicksale, gesellschaftlichen Verknüpfungen und Begebenheiten ein. Da wird gefachsimpelt, philosophiert und kritisiert, was die Zusammenkünfte bei Alkohol, in der Kirche und bei Tee und Kuchen hergeben. Thema ist fast immer das Geschehen in Europa, wo sich gerade ein Weltkrieg anbahnt bzw. ausweitet. Eine großzügige Episode aus der Warte der Soldaten ergänzt dieses umfassende Drama in einer Zeit, die auch Australien in den Krieg mit hineinreißt, in der nicht nur hier Mütter um Ehemann und Söhne trauern müssen. Ein kleine philosophische Randbemerkung ist die Sache, wo eine ältere Frau fast täglich einen alten, morschen Baum gießt.

Die Geschichte ist vor allem in der ersten Hälfte der Erzählung sehr textlastig, zudem auch meist mit regional verbundenen Hintergründen der politischen Situation verknüpft, die ebenfalls mit vielen Fußnoten erklärt werden. Spannung entsteht nur selten, wenn kleine Dramen oder Aufregungen geschildert werden.

Die Zeichnungen sind als solche zwar sehr gut, doch ist es nicht sehr interessant, seitenlange Diskurse mit nur in Nuancen variierenden visuellen Darstellungen zu lesen. Nur ab und zu sind Hintergründe mal romantisch, mal mit ein wenig mehr Bewegung zu sehen.

Ein gesellschaftskritisches Werk und im weitesten Sinn auch eine Familiengeschichte, das mit großer Detailfreude hinsichtlich der Ausarbeitung der Charaktere punktet, mit historisch relevanten und tragischen Bezügen aufwartet und ziemlich anspruchsvoll zu lesen ist.

Im Auge des Zyklons
Text und Zeichnungen: Bruce Mutard
288 Seiten
avant
29,00 Euro

Autor: Rolf Pressburger