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08.12.2021
Faszination Comic

Viel Neues bei comicplus+

Viel Neues bei comicplus+

Soeben veröffentlichte comicplus+ mehrere neue Bücher. PPM stellte Eckart Sackmann Fragen über den Comic-Roman „Samsara“ und den Ausstellungskatalog „Vinyl! Die Comic-Cover“.

Vom „Comic-Ruhestand“ ist bei dir ja noch nichts zu spüren :-) Du hast ja wieder eine bemerkenswerte Arbeit geleistet: den profunden, 144 Seiten umfassenden Band „Deutsche Comicforschung“ 2022, 176 Seiten „Samsara“ mit umfangreichem Sekundärteil, den Ausstellungskatalog „Vinyl! Die Comic-Cover“ und dann auch noch Comics Info! Alle Achtung...!

E. Sackmann: „Eigentlich“ wollten wir in diesem Jahr nur drei Bücher machen, aber nun sind es doch fünf geworden. Das liegt zum einen am verspäteten Band 5 von „Der Schrei des Falken“ und jetzt eben an „Vinyl!“, das wir schon vor Beginn der Ausstellung verkaufen dürfen. Da freut sich der Weihnachtsmann!

Den Rückbau von comicplus+ beeinträchtigt das nicht: Wir haben begonnen, unser Lager zu reduzieren und wollen damit bis 2023 weitestgehend durch sein.
Bis dahin geht es weiter mit schönen Einzelbänden à la „Yeshua“ und „Samsara“. Die entsprechen meiner Vorstellung von intelligenten Comics, ohne Helden, ohne Klamauk, ohne die Fluchtwelten der Fantasy. Jetzt müsste man sich noch den richtigen Leser dafür erschaffen können, so einen wie den, der sich auf „Never“, den neuen Roman von Ken Follett, oder „Die Anomalie“ von Hervé Le Tellier freut. Solche Leser(innen) gibt es im deutschen Comic-Universum kaum, und der traditionelle Buchhandel bestellt nur das, was FAZ und Tagesspiegel ihm vorbeten.

Im Look eurer Gesamtausgaben liegt mit „Samsara“ ein grafisch sehr malerischer Comic-Roman von Giroud/Faure vor, der zeitlich Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts angesiedelt ist. Was kannst du über die Auswahl, die Entstehung und Inhalt sagen, ohne zu viel zu verraten?

E. Sackmann: Wir haben von Frank Giroud schon einiges gebracht: Ich erinnere an „Zehn Gebote“ oder „Azrayen’“. Der Mann hat immerhin den Max-und-Moritz-Preis als „Bester europäischer Autor“ bekommen! Diese Qualität spürt man auch in „Samsara“. Michel Faure kenne ich auch aus diesem Zusammenhang. Von ihm stammt ein Kapitel von „Zehn Gebote“ („Der Papyrus von Kom-Ombo“), und das war wunderschön gezeichnet. Seither habe ich sein Werk verfolgt, ein sehr komplexes Werk, zu dem auch eine völlig verrückte Interpretation der Evangelien gehört („Jesus, Marie, Joseph“). Da war er selbst der Autor. Bei „Samsara“ folgt er den Vorgaben von Giroud, aber mit einer künstlerischen Brillanz, die kaum ihresgleichen kennt. Jedes Panel ein Augenschmaus!

Die Geschichte verbindet Frank Girouds Interesse an historischen, gesellschaftspolitischen Themen und seine immer wieder verblüffende Erzählweise. „Samsara“ hat in Elisabeth Griffith, einer sozial engagierten Lehrerin und Frauenrechtlerin, zwar eine zentrale Figur, die Handlung wird aber erst durch eine Vielzahl von Nebenfiguren spannend. Ihr Verhältnis zueinander erlaubt feine psychologische Nuancen – und menschliche Katastrophen. Giroud schafft auch den Spagat vom industriellen Manchester zum ländlichen, von den Briten kontrollierten Indien: ein Clash der Kulturen. Dazu gibt es Tiger, Mordversuche, Leidenschaften, unerwartete Wendungen – ein tolles Buch!



Darf ich fragen, was der nächstfolgende „Comicroman“ bei comicplus+ sein wird?

E. Sackmann: Wieder so ein Juwel, das Jahrzehnte vor den Augen aller Verleger herumlag, ohne dass es jemand gesehen hätte! „Fox“ stammt von Jean Dufaux; gezeichnet hat die rund 200 Seiten starke Erzählung Jean-François Charles („India Dreams“). Hier nur ein paar Worte dazu: „Fox“ spielt in den 50er Jahren zum überwiegenden Teil in Ägypten, es geht um ein „verfluchtes Buch“, das Buch Toth, und um die Rivalität zwischen Isis und Seth, dem Gott des Chaos, der hofft, mit Hilfe des Buches und von Allan Fox wieder auf die Erde zurückkehren zu können. Das ist kein Fantasy, sondern ein Phantastischer Bildroman, der seine Wurzeln in der realen Welt hat. Spannendes Abenteuer mit sehr schrägen Sidekicks zur Theosophie. Das Buch erscheint im Mai 2022. Ich schreibe gerade den 20seitigen Anhang und bin so fasziniert, dass ich schon von den alten Ägyptern träume. Und da wunderst du dich, dass ich nicht aufhören kann, Comics zu verlegen!

Außergewöhnlich ist auch dein Katalog „Vinyl! Die Comic-Cover“, der anlässlich der gleichnamigen Ausstellung in der LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen entstanden ist. Diese soll vom 16. Januar bis zum 8. Mai 2022 stattfinden; hoffen wir, dass Corona es erlaubt. Wie entstand die Zusammenarbeit mit der LUDWIGGALERIE und die Ausstellungsidee?

E. Sackmann: Ich habe eine vergleichbare Ausstellung schon 1992 zum Comic-Salon Erlangen gemacht, allerdings in weit geringerem Umfang. Seither habe ich weiter Platten gesammelt – nicht der Musik wegen, sondern nur wegen der tollen Cover. Da hat die Crème de la crème der Comicwelt mitgemacht, von Robert Crumb, Simon Bisley, Dave McKean bis hin zu Hergé, Moebius, Pratt, Manara, Schultheiß und Puck. In der Ausstellung kann ich gut 150 LPs zeigen (nur LPs und Maxis, keine CDs); der Katalog bildet mehr als doppelt so viele ab.

Ich hatte diese Sammlung also 30 Jahre hier rumliegen und dachte mir, es wäre doch gut, wenn sie wieder mal an die frische Luft käme. Ich habe in Oberhausen angerufen, und wie der Zufall es wollte, bereitete man dort gerade selbst eine Ausstellung mit Plattencovern vor: mit künstlerischen, bis Ende der 60er Jahre erschienenen Covern. Das passte sehr gut: Das Spektrum meiner Schau reicht vom Anfang der 70er bis zum Ausklang der Schallplatte. So haben wir uns zusammengetan. Leider musste die von Oberhausen kuratierte Ausstellung wieder abgeblasen werden, so dass es jetzt „nur“ noch meine Comic-Cover zu sehen gibt. Die aber in ungewöhnlicher Präsentation, angereichert durch eine Lightshow und ein zweistündiges Musikprogramm – in der Ausstellung! Das Ganze ist ein Gesamtkunstwerk für Auge und Ohr.

Für mich war das Buch eine Entdeckungsreise. Viele der Comic-Cover sind echte Meisterwerke und in der Tat ausstellungswürdig. Bleibt Oberhausen eine einmalige Aktion, oder könnte die Ausstellung eventuell auch nach Erlangen wandern?

E. Sackmann: Wandern möglicherweise, aber nicht nach Erlangen. Schaumermal.

Vielen Dank für das Interview zu den comicplus+ Neuheiten!

Ebenfalls neu: Deutsche Comicforschung 2022. Das wissenschaftlich fundierte und reich illustrierte Standardwerk zur deutschen Comicgeschichte erscheint mittlerweile in der 18. Ausgabe. Diesmal mit folgenden Beiträgen: Eugen Napoleon Neureuther und die arabeske Bild-Erzählung, Theodor Hosemann: "Herr Fischer auf dem vereinigten Landtage", Herbert Rikli - der "bernische Oberländer", Hans Kossatz' Sprechblasenstrip in der "Jugendpost" der 30er Jahre, Die Karikaturenagentur Interpress im NS-Pressewesen, Emmerich Huber: "Man muss sich Zeit nehmen...", Bilderbogen von Ri. Auf den Spuren von K. G. Richter, Deutsche Zeitungscomics in den Hessischen Nachrichten, Hellmuth Maenner-Yo: Mehr als nur "Funki und Fünkchen", Nick Knatterton auf der Kinoleinwand.

Leseprobe bei PPM:

Vinyl!

Samsara

Comicplus+ bei PPM

Autor: Michael Hüster