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29.06.2018
Salleck

The Long and Winding Road

The Long and Winding Road

Der alte Herr von Ulysse ist gestorben und als letzten Willen hat er seinem Sohn aufgetragen, seine Asche auf der Isle of Wight zu zerstreuen.

Auf dieser Insel an der Südküste Großbritanniens fand 1970 das berühmte Rockfestival mit jeder Menge Stars der damaligen Musikszene statt. Im  Nachlass befindet sich eine Sammlung alter Musikkassetten und ein „Bulli“, so wurde das Kultfahrzeug von damals genannt: Der VW-Bus. Widerwillig zunächst macht er sich auf die Reise, auf der ihn seine Tante, die Schwester des Verstorbenen, auf der ersten Etappe begleitet. Mit dabei im Fahrzeug die Urne mit der Asche. Als sie wie zufällig bei einem Halt die uralten Kumpels seines Vaters treffen, lässt sie ihn allein mit ihnen. Und der lange, windige Weg in die Vergangenheit beginnt! Durch die drei Althippies mit Schnauzbart und langen Nackenhaaren, dafür oben sehr licht, erfährt Ulysse nach und nach viele Einzelheiten seiner Familie, die er so noch nicht kannte. Und in ihrer anarchistischen Manier stöbern sie durch französische Landschaften, durch alte Storys und hinüber auf die britische Insel. Sie nehmen zeitweise Tramper mit, bauen einen Unfall, der sie auf ein Gut mit einer schönen Baroness führt, kiffen und baden nackt. Im entschleunigten Tempo der Wolfsburger Feinstaubschleuder wird hier ein Art Roadmovie erzählt, das mit einer gehörigen Portion Love and Peace-Flair dahin zuckelt. Die alten Herren sind aber im Herzen und im Gemüt immer noch die Revoluzzer und Idealisten ihrer Jugend, schnoddrig und teils kindisch. Die abenteuerlichen Episoden dieser „Magical Mystery Tour“ (Beatles) sind wie aus der Zeit gefallen, fast zu romantisch, um wahr zu sein, und doch voller Lebensfreude, um wünschenswert zu sein. Natürlich ist hier kritisch anzumerken, dass die dargestellten Rauschgift- und Alkoholexzesse durchaus fraglich sind, doch die sind eben fest verankert in der Historie der siebziger Jahre. Sie bleiben ohne weitere Wirkung als Teil der Story auch nicht vordergründig hängen. Vielmehr entdeckt Ulysse auf dieser Reise Facetten seines Vaters, die ihn einer alternative Lebensweise und -freude näher bringen. Denn er lernt nach ein paar Kilometern Linksverkehr am Ende des Trips tatsächlich noch die einstige Geliebte seines verstorbenen Vaters kennen und mit ihr eine Art neue Familie!

Die Zeichnungen sind zwar sehr schlicht, in vorwiegend erdigen Farbtönen, doch auch recht bunte Seiten bieten hier Abwechslung. Farbe ist vor allem in der Geschichte selbst enthalten, die romantisch, philosophische und auch besinnlich über das Leben und Beziehungen erzählt; die durchaus auch als Selbstfindungstrip gelesen werden kann. Die Wärme und der Staub eines Sommers strahlt aus den Bildern, und die Wiederkehr längst verblasster Unbefangenheit und Draufgängertums erfrischen Ulysse. Und es mag sogar ein tieferer Sinn zwischen den Zeilen und Bildern stecken. Mit vielen Songtiteln, die wie Kapitelüberschriften wirken, weist der Autor einerseits auf die Verbindung zur Musik jener Zeit hin, als auch auf die möglichen Assoziationen. Dieser Comic ist warmherzig, voller Humor und mit einem zufriedenstellenden Happy-End. Wer unter anderem „Die alten Knacker“ liebt und schätzt, wird hier bestens unterhalten!

The Long and Winding Road

Text: Christopher, Zeichnungen: Pellejero
180 Seiten
Salleck
29,00 Euro

Autor: Rolf Pressburger