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13.11.2020
Comic-Verlage und Corona: Splitter Verlag

Horst Gotta: Splitter ist aktuell sehr zufriedenstellend über das Jahr gekommen

Horst Gotta: Splitter ist aktuell sehr zufriedenstellend über das Jahr gekommen

Am 07.04.20 titelte der Tagesspiegel: Comicverlage in der Coronakrise: Die Stabilität ist in Gefahr. Ein gutes halbes Jahr ist bisher vergangen.

Vieles ist (zum Glück) nicht so gekommen wie am Anfang der Corona-Krise prognostiziert. Hier die Antworten von Horst Gotta von Splitter Comics.
 
PPM: Ein ziemlich turbulentes Comic-Halbjahr liegt hinter uns. Corona hält das Land weiterhin fest im Griff. Welche Bilanz würdest du für den Splitter Verlag ziehen?

Horst Gotta: Splitter ist aktuell sehr zufriedenstellend über das Jahr gekommen. Es liegt sogar im Rahmen des Möglichen, das wir wieder einmal mit einem deutlichen Wachstumsjahr abschließen werden. Auf den Jahresverlauf bezogen ist es jedoch auch das risikoreichste Jahr, denn nie in unserer Geschichte zuvor standen so starke Gewinne so starken Verlusten entgegen.

PPM: Die Shops und Buchhandlungen waren ja "nur" befristet geschlossen. In Berlin gab es z. B. sogar keine Einschränkungen. Gab es einen ausgleichenden Nachholeffekt bei der Käuferschaft von Comics oder konnte ein echter Einbruch der Umsätze bilanziert werden?

Horst Gotta: "Nur“ befristet geschlossen ist schön formuliert. Genau hier lag aber das Problem für die Verlage und Buchhändler bzw. liegt es wahrscheinlich sogar heute noch für andere Geschäftsfelder und Berufsgruppen vor.

Die Schließung der Geschäfte und das gleichzeitige Aussetzen der Messen haben uns innerhalb von 4 Woche einen summierten Verlust im sechsstelligen Bereich beschert. Denn nicht nur der Absatz und die Vorbestellungen brachen ein, sondern es wurden gleichzeitig auch Warenbestände im Handel massiv abgebaut, also zurückgeschickt. Gleichzeitig fanden nun hausintern geplante und vorfinanzierte Projekte erst gar nicht statt und alle vorproduzierten, gebuchten und bezahlten Materialien sowie die Dienstleistungen zur Leipziger Buchmesse waren futsch. Zusätzlich war über diesen Zeitraum nichts da, dass zur Kompensation hätte herhalten können.

Aber weil die Buchbranche eigentlich zu den krisenfesteren Branchen gehört (in der Finanzkrise 2008 war sie meines Wissens nach die einzige größere Branche, die kein Minus einfuhr), konnten diese Verluste in der Folge wieder Monat für Monat ausgeglichen werden.

Wobei 2020 auch nicht wirklich mit 2008 zu vergleichen ist, denn mittlerweile sind z. B. Smartphones, Tabletts und Streaming-Portale alltägliche Gegenwart und das Buch hat noch mehr Konkurrenten bekommen.

PPM: Wie habt ihr ggf. auf Umsatzeinbrüche reagiert? Gab es z.B. Personalabbau?

Horst Gotta: Zur finanziellen Absicherung hatten wir 3 Wochen auf Kurzarbeit umgestellt, denn niemand konnte uns sicher sagen, wie lange der Zustand (die Schließungsphase der Läden) andauern würden. Hinter den Kulissen aber haben wir mit einer minimalen Mannschaft komplett weiter produziert und z. B. das jeweilige gesamte Monatsprogramm ohne Kürzung durchgezogen. Denn wenn die Läden wieder öffnen würden, war uns klar, dass sie auch wieder nur neues Material ordern wollten und nicht dass, was gerade zur Retoure an uns zurückging.

Diese Annahme sollte sich dann auch sehr schnell genauso einstellen.

PPM: Die meisten Verlagsvorschauen zeigen sich weitgehend unbeeindruckt von der Krise. Geht man da auf Risiko oder sind Comicsammler treue Käufer, die der Krise trotzen und wie gewohnt weiterkaufen?

Horst Gotta: Ich kann das nicht beurteilen, inwieweit bei unseren Konkurrenten die Vorschauen und das reale produzierte Programm voneinander abweichen. Zu dieser Beurteilung fehlt mir der Überblick bzw. fehlt uns allen auch die Zeit. Wir selbst haben seitdem Lockdown sehr viel mehr zu tun, denn wir erfüllen unseren großen Katalog vollumfänglich und da, wo bei uns ein Titel mal liegen bleibt, sind die Ursachen eigentlich immer extern.

So – das kann man in dieser Krisenzeit sicher sagen – haben die Länder, in denen die Alben im Original produziert werden, mehr Probleme den hohen Output aufrecht zu erhalten. Denn wir selbst – bzw. der deutsche Markt – zieht seit jeher nur ein Bruchteil aus dem großen Angebotstopf. Da ist also ein „Entspannungsfilter“ dazwischen und nur manchmal trifft es auch einen angekündigten Titel.

Zum Comicsammler wäre zu sagen: er ist im Albenbereich sicher ein Fundament und wir danken hier all unseren treuen Lesern, die uns auch „in unruhigen Zeiten dadurch in Ruhe schlafen lassen“. Aber deren Anzahl ist schon sehr lange sehr statisch und die Zuwächse, die wir aktuell erfahren, liegen allesamt im Neukundengeschäft. Dieses ging spätestens im Sommer los, als die „Hawaii-Urlauber“ Zuhause blieben und fürs Wohnzimmer mal wieder ein traditionelles Buch orderten.  :-)

In der Corona-Krise ist mehr Freizeit in den eigenen vier Wänden zu verbringen und das Buch ist - neben dem z. B. TV, den Konsolenspielen und den analogen Spielen - einer der Profiteure.

PPM: Da die Infektionszahlen wieder stark steigen, könnten evtl. wieder (regionale) Shutdowns erfolgen. Welche Auswirkungen hätte das auf Ihre Planungen unter Berücksichtigung Ihrer bisherigen Erfahrungen?

Horst Gotta: Bei einem erneuten Lockdown über ca. 1 Monat wären die Auswirkungen diesmal geringer, da wir auf diese Situation nun besser eingestellt sind und Gelder, wie z. B. für einen Messebau, sowie die Standmieten im Moment sowieso erst gar nicht angefasst werden.

PPM: Welche Rolle spielt der eigene Direktversand in der Krise? Konnten in dem Bereich Mehrumsätze generiert werden?

Horst Gotta: Ja, es gibt mehr Direktbesteller. Aber ebenso ziehen die Umsätze im stationären Handel an allen Verkaufsfronten an. Splitter macht auch nichts, um den Leser vom Buch- und Fachhändler abzuziehen. Es gibt bei uns keine Vorabauslieferungen oder Direktbesteller-Projekte. Das ist nicht unser Ding. Wir wollen ein (relativ gesehen) großer Player im großen Buchmarkt sein und wissen um die Wichtigkeit unser vielen Geschäftspartner und deren Unterstützung durch viele unserer Leser die "ihren Fach- und Buchladen" lieben und genau so erhalten wollen.

Das unterstützen wir, weil wir das große Ganze im Auge haben. Hoffen wir, dass uns Corona nicht langfristig einen Strich durch diese Rechnung macht. Deswegen: Gesundheit an euch alle und danke für die Unterstützung! :-)
 
 

PPM: Danke, dir und eurem Team wünsche ich das auch. Vielen Dank für die Statements!

Autor: Michael Hüster