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24.08.2022
avant-verlag

Ernie Pike

Ernie Pike

Der Kriegscomic Ernie Pike ist eine der imposantesten Arbeiten von Hugo Pratt, der allerdings eher mit seiner Serie Corto Maltese Weltruhm erlangte. Getextet wurde er von Hèctor G. Oesterheld, der zuerst sein schreiberisches Talent als Journalist zu Papier brachte.

In dieser Gesamtausgabe aller noch verfügbaren Folgen die von Pratt gezeichnet wurden, sind 34 Storys enthalten mit unterschiedlichem Seitenumfang. Es sind fiktive Episoden aus dem 2. Weltkrieg. Die Handlungsorte sind variabel, im Grunde spielen sie in allen Ländern und an allen Orten dieses Krieges. Zu Luft, Land und Wasser. Ernie Pike ist ein Kriegsreporter, der manchmal von seinem Fotografen begleitet wird und kleine sowie große Geschichten recherchiert und diese wiederum in Erzählungen dem Leser kredenzt. Diese Geschichten handeln von Seeschlachten, den, Gefechten von ausgehobenen Stellungen aus, von Spähtrupps, Widerständlern, Kriegshelden und Feiglingen. Sie sind realitätsnah geschildert, aufgrund von wahren geschichtlichen Hintergründen konzipiert. Erfrischend sind auch Episoden, in den Frauen oder Mädchen eine Rolle spielen.

Eine davon handelt von einem französischen Mädchen, das als Lockvogel eingesetzt wird, sich dessen nicht bewusst ist und deshalb enttäuscht von seinen Landsleuten; denn der deutsche Soldat, der deshalb niedergestochen wird, so konstatiert sie, ist ihr Freund und ehrenhaft, was er schlussendlich auch beweist. Es ist eine der berührendsten Geschichten.
Eine andere ist die eines Kriegsgefangenen, der weiß, dass er grausam gefoltert werden wird und sich deshalb an einen Tricks erinnert, wie er dem entgehen kann. Diesen Trick las er zuvor in einem Roman von Jack London.
Im fast obligatorischen Titel „Pearl Harbour“ erweist sich eine verhängnisvolle Fehleinschätzung als Drama erster Güte.
Das sind nur Beispiele der vielfältigen Tragödien, Schicksale und auch Erfolgserlebnisse, verpackt in pointierten Begebenheiten und Erlebnissen der Protagonisten. Im Kern geht es immer um den ungerechten Gesamtstatus eines Krieges, der nie nur Sieger kennt. Teilweise mit äußerst kritischen Untertönen, aber auch mit pathetischer Ordnung, Treue, Verrat oder schierer Verzweiflung in vielen Facetten.
Sehr gut geschrieben und mit realen historischen Bezügen. Hier werden tiefe menschliche Gefühle, Egoismen, Überlebenswille und Grausamkeit abwechselnd thematisiert. Die Zeichnungen meisterhaft, die Seiten in konventioneller Panelaufteilung, relativ viel Text, der aber nicht unnötig gestreckt ist.
Die Reproduktion ist wohl nur so gut, wie die noch erhaltenen Originalabdrucke. Die Qualität schwankt von detailliert in den Feinheiten bis verwaschen und und undeutlich. Die Farben sind sehr blass, es überwiegt der hellbraune bis beige Grundton.
Eine Sammlung von Kriegsgeschichten, die sowohl spannend sind als auch teilweise mit Witz bzw. Listigkeit der Personen einen abwechslungsreichen Mix ergeben. Sie haben wahrscheinlich nichts von ihren wahren und realitätsnahen Kernen verloren, wenngleich die Kriegsführung heute mit ganz anderen Waffen erfolgt. Ein umfangreicher Comic der klassischen Art, wiederentdeckt und ansprechend aufgemacht. Auch wegen des umfangreichen Bonusteils, in dem interessante Informationen rund um Texter und Zeichner dokumentiert sind.

Ernie Pike

Text:  Hèctor G. Oesterheld, Zeichnungen: Hugo Pratt
364 Seiten
avant-verlag

Autor: Rolf Pressburger