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03.08.2022
Beim Avant-Verlag erschienen: Ernie Pike von Oesterheld & Pratt

Die Gesamtausgabe eines Meisterwerks der Kriegscomics

Die Gesamtausgabe eines Meisterwerks der Kriegscomics

Inspiriert von der Figur des amerikanischen Kriegsberichterstatters Ernie Pyle schufen Oesterheld und Pratt 1957 in Argentinien die Figur des Ernie Pike:

Ein Journalist, an die Schrecken des Schlachtfelds gewöhnt, aber entschlossen, seine Menschlichkeit zu verteidigen und zu bewahren. In seinen Händen hält er keine Waffe, sondern ein Notizbuch, in dem er Geschichten und Zeugnisse aus den Schützengräben der halben Welt sammelt. Verrat, Mut, Flucht oder Heldentum, nichts entgeht dem scharfen Blick dieses Zeitzeugen des Krieges.
 
Diese Ausgabe enthält nicht nur alle Ernie-Pike-Geschichten von Oesterheld und Pratt, sondern auch weitere Kurzgeschichten aus der Zusammenarbeit der beiden Autoren. Darunter auch zehn außerhalb Argentiniens noch nie publizierte Seiten, die nach jahrelanger akribischer Recherche jetzt erst wieder entdeckt und restauriert wurden.
 
Ernie Pike war während des Zweiten Weltkriegs Kriegsreporter und verfolgte die Kämpfe vom Pazifik über Europa bis nach Nordafrika. Er erzählt kleine Geschichten, Chroniken von der Grausamkeit der Kämpfe, aber auch von der gegenseitigen Hilfe unter Waffenbrüder. Verrat, Mut, Flucht oder Heldentum, nichts entgeht dem scharfen Auge von Pike, der Zeuge der Gräueltaten des Krieges wird.
Der Comic spielt also während des Zweiten Weltkriegs, und der Protagonist, Ernie Pike, ist der Erzähler, ohne eine aktive Rolle in den Geschichten zu spielen. Im Gegensatz zu Genrestandards zeigt der Comic weder Schlachten noch beschreibt er den Krieg. Stattdessen konzentriert er sich auf kurze Momentaufnahmen, einzelne tragische Ereignisse, an denen Soldaten auf beiden Seiten beteiligt sind.
Es gibt keine wiederkehrenden Charaktere, außer Ernie Pike. Allerding ist sogar seine Präsenz gering: Er erscheint nur in wenigen Panels, so z.B. in der Geschichte „Die Schicksalskreuzung“, in der der Leser Ernie Pike in Uniform sieht, wie er auf der letzten Seite erklärt, das der Krieg weiter gehe, und im nächsten Bild, einen Fünfziger Jahre-Anzug tragend, von der Zeit nach dem Krieg erzählt und den sieben Kindern des Paares, dass sich in dieser Episode gefunden hat (Buchseite 187).   
Der Name des Protagonisten erinnert an Ernie Pyle, einen bekannten Schriftsteller aus der Kriegszeit. Im Gegensatz zu Ernie Pyle überlebte Ernie Pike den Krieg. Das Gesicht von Ernie Pike ähnelt dem von Oesterheld. Ursache war ein Missverständnis beim Charakterdesign: Als Oesterheld Pratt die positiven Eigenschaften von Pike beschrieb, sagte er am Ende: „Lassen Sie ihn wie mich aussehen!“. Pratt war sich jedoch nicht bewusst, dass Oesterheld dies im Scherz sagte, und lies Pike wie Osterheld aussehen. Als Oesterheld dies bemerkte, war Pratts Arbeit bereits weit fortgeschritten, und so blieb es dabei.
Oesterheld und Pratt ist es mit ihren „Ernie Pike“-Episoden gelungen, die Tragik und Dramatik der damaligen Ereignisse sehr real spürbar zu machen. Als Leser hat man tatsächlich das Gefühl, im Moment der Ereignisse Teil der Szenerie zu sein. Und so ist „Ernie Pike“ sicher ein Meisterwerk der Kriegscomics.

Autor: Michael Hüster