Seit 1976 arbeitet Frank Miller zunächst als Zeichner, später auch als Autor im Comicbereich. Damals zog er mit 19 Jahren vom ländlichen Neu-England nach New York, um näher bei den Verlegern seiner Wahl zu wohnen. Dabei fällt auf, mit welcher Konsequenz und Gradlinigkeit Miller seinen Weg ins große Business gemacht hat. Bereits eine seiner ersten, semiprofessionellen Arbeiten, eine Fortsetzungsgeschichte für das Projekt APA-5 - einer der Keimzellen des Dark Horse-Verlages - ist ein Großstadtkrimi, dessen Hauptfiguren DAREDEVIL-Lesern erkennen könnten: Ein Polizeidetektiv namens Nick Manolis, eine weibliche Hauptfigur, die Elektra heißt, selbst das Mordopfer Hermann Zorn kommt einem bekannt vor. Die Schlacht bei den Thermopylen, die Miller viele Jahre später so mitreißend in 300 inszeniert hat, taucht bereits in einer Kurzgeschichte für die Heftserie Weird War Tales auf. Und in einem Beitrag für das Magazin Marvel Preview erlebt ein schwarzer Held namens Alex Washington ein düsteres Abenteuer in einer skurrilen Zukunft.
Innerhalb weniger Monate krempelte Miller – zuerst als Zeichner, später auch als Autor - die damals kommerziell ins Abseits geratene Serie DAREDEVIL (Marvel) total um und verhalf den Superheldencomics damit erstmals auch zu literarischen Qualitäten. Miller blieb nicht bei der realistischen Darstellung von Action, sondern versuchte auch die menschliche, emotionale Seite ins Bild zu rücken. Er führte die Ninja-Kriegerin Elektra ein, die bald eine unglückliche Liebesbeziehung zu Matt (Daredevil) Murdock anfing und zu einem Dreh- und Angelpunkt der ganzen Serie wurde. Millers Version der Entstehungsgeschichte des mutigen Helden in DER MANN OHNE FURCHT und dem Zyklus BORN AGAIN werden immer noch als beste Comics dieser Serie gehandelt. Ende 1982 verabschiedete sich Miller von DAREDEVIL und gab ein viel beachtetes Gastspiel mit der Miniserie WOLVERINE.
Anschließend wechselte er zu DC und schrieb und zeichnete dort RONIN, eine optisch und inhaltlich sehr ungewöhnliche, durch japanische Manga und europäische Comics beeinflusste Serie. Als Einflüsse nennt Miller etwa LONE WOLF AND CUB, aber auch die Arbeiten von Moebius und Hugo Pratt. Zwei Jahre später schaffte er es dann mit seinem revolutionären Meisterstück BATMAN: DIE RÜCKKEHR DES DUNKLEN RITTERS das Superheldengenre zu revitalisieren und sich in oberste Liga der Comic-Künstler zu katapultieren. Er führte Batman zurück zu seinen Wurzeln und zeichnete ihn als brutale und unberechenbare, oft faschistoide Figur. So demontierte er den zu der Zeit vorherrschenden, strahlenden Mythos der Superhelden. Tim Burtons Batman-Filme aus den Jahren 1989 und 1992 verdanken Millers Comic-Version zumindest atmosphärisch eine ganze Menge, auch wenn sie inhaltlich nichts miteinander zu tun haben.
Mit einem Knall verabschiedete sich Miller vorläufig von den Comics: Zusammen mit dem Ausnahmezeichner David Mazzucchelli kreierte er einen abschließenden DAREDEVIL-Zyklus (BORN AGAIN), und die Batman-Story YEAR ONE, in der die Anfänge des Dunklen Ritters beleuchtet wurden. In den folgenden vier Jahren versuchte Miller als Drehbuchautor in Hollywood Fuß zu fassen. Nach einigen eher mäßigen Erfolgen (ROBOCOP 2+3) kehrte Miller 1991 zum Comic zurück und lief mit SIN CITY wieder zur Höchstform auf. Er erzählte eine geradlinige Kriminalstory, die von ihm zeichnerisch zurückhaltend, aber mit allen Raffinessen umgesetzt wurde.
Später produzierte Miller, mit Dave Gibbons als Zeichner, die satirische Science-Fiction Serie GIVE ME LIBERTY/MARTHA WASHINGTON, die eine düstere und chaotische Zukunft der USA durch die Augen einer jungen, schwarzen Kämpferin aus den Slums zeigt. Gemeinsam mit Geoff Darrow kreierte er die Graphic Novel HARD BOILED, eine 100 Seite vollkommen sinnfreie Gewaltorgie, die sehr viel Spaß macht. 1998 führte Miller seinen Lesern mit der Miniserie 300 einen weiteren Aspekt seines kreativen Geistes vor. Noch einmal kommt Miller hier auf das Thema des griechisch-persischen Krieges zurück. Das auch rein optisch prachtvolle 300 wurde sowohl innerhalb der Comicszene als auch beim breiten Publikum zum riesigen Erfolg und gewann drei der renommierten Eisner Awards.
In den folgenden Jahren baute Miller sein Sin City-Universum sukzessive immer weiter aus, bis er mit Hell And Back an einen vorläufigen Endpunkt geriet. Schlagzeilen machte Miller mit einer Fortsetzung seines Batman, der jedoch ein recht unterschiedliches Echo produzierte: DER DUNKLE RITTER SCHLÄGT ZURÜCK ist eine bitterböse Satire auf die herkömmlichen Superhelden, kehrt jedoch zu einer naiven Erzählweise zurück, wie man sie zuletzt in den 60er Jahren gesehen hat.
Aktuell schreibt Miller die Reihe ALL-STAR BATMAN AND ROBIN, THE BOY WONDER, die von Zeichnergröße Jim Lee graphisch umgesetzt wird und führt Regie in einer Realverfilmung von THE SPIRIT nach der Figur von Comic-Legende Will Eisner.